Monatsarchiv für April 2025

 
 

Jetzt auch noch Insta…

Lange ignoriert, doch jetzt auch auf Instagram. Also wer folgen möchte…

Die neue Bildgenerierung von ChatGPT

Ich habe u.a. für die Table of Elements mit der neuen Bildgenerierung von ChatGPT herumgespielt. Das mit den Texten in Bildern ist besser geworden, aber noch nicht wirklich gut, denn aus der Retrospektive wurde die „Refrospektive“ (mit F), was immer das auch sein soll und die Umlaute schauen wir uns lieber nicht an. Ob ich wirklich schon so alt aussehe, überlasse ich anderen. In einem zweiten Versuch hat sich ChatGPT aber unaufgefordert der plastischen Chirurgie bemächtigt und die Personen aus der hochgeladenen Vorlage bis zur Unkenntlichkeit verjüngt.

Auch an dem mitunter störrischen Verhalten bin ich verzweifelt – manchmal will einen die KI einfach nicht verstehen und noch Schlimmeres habe ich jüngst bei der Entwicklung eines Texts im Canvas-Mode (das ist jetzt zwar nicht mehr Bildgenerierung, aber immer noch ChatGPT) erlebt, als Chat GPT Modifikationen nicht wie gewünscht rückgängig gemacht hat, d.h. das Tool hat mir zwar gesagt, es hätte die Änderungen rückgängig gemacht, dem war aber nicht so. Da hätte ich mir eine einfache Versionsverwaltung á la Google Docs gewünscht, denn meine zwischenzeitlich entwickelten Inhalte waren unwiederbringlich weg.

Naja, die Lernkurve geht weiter: bei ChatGPT und bei uns Nutzern.

Gelesen: Human Robot Agent

Nein, dies ist keine Rezension. Stattdessen möchte ich gerne 5 Themen aus Jurgen Appelos neuen Buch Human Robot Agent aufgreifen und vielleicht auch weiterspinnen. 
Appelo, Jurgen. Human Robot Agent: New Fundamentals for AI-Driven Leadership with Algorithmic Management, Rotterdam 2025, ISBN-13: 978-90-834236-2-3 (Amazon)

1. Der Niedergang des Agilen

Mit seinem Management 3.0 hat Jurgen Appelo die Ideen agiler Softwareentwicklung auf das Management übertragen. Er war somit einer derjenigen, die den Grundstein für den agilen Hype der letzten Jahre gelegt haben. Mit seinen Wurzeln in der Systemtheorie war er ein Vordenker. Und was jetzt? Jetzt schließt sich ausgerechnet dieser Vordenker dem Abgesang an – zumindest dem Abgesang auf den agilen Mainstream. Und Jurgen fragt, warum agiles Arbeiten heute in vielen Unternehmen versagt.

Er führt dafür zehn Punkte an:

  • Der Zertifizierungswahnsinn
  • Überladene Frameworks
  • Agiler Dogmatismus
  • Modeerscheinungen und Modetrends
  • Eine fragwürdige Interpretation der neuen Rollen
  • Eine Überbetonung der Velocity (Geschwindigkeit über Ergebnis)
  • Ein Management-Vakuum aufgrund der Fokussierung auf Teamautonomie und der gleichzeitigen Vernachlässigung bewährter Managementpraktiken
  • Fehlende Abstimmung mit der Strategie (Methoden über Wirkung)
  • Die grundsätzliche Frage, ob Werte und Prinzipien des agilen Manifests im Zeitalter von AI nicht überholt sind

Er stellt fest:
„The Agile Manifesto was an incredibly influential breakthrough achievement. But it was written in the age of the Third Industrial Revolution. And it’s true that many companies still struggle to grasp its basic ideas. However, in the meantime, the underlying paradigm has shifted. To survive the Fourth Industrial Revolution, we must rewrite the core values and principles that once made Agile revolutionary. We should stop migrating organizations to an outdated operating system.“

Aber auch:
„Organizations need agility more than ever.“

Für meinen Geschmack geht Jurgen etwas zu hart mit der Agilität ins Gericht. Was am Ende ist, ist der Hype um die agile Transformation, der häufig kaum diesen Namen verdient hat. Agilität an sich ist zeitlos – und war es schon immer. Schon lange vor der Erfindung des Begriffs waren erfolgreiche Projektmanager:innen agil und werden es auch weiterhin sein. Ausgelutscht ist lediglich die Managementmode mit diesem Titel, nicht die dahinterliegenden Ideen und Prinzipien.

Auf die Frage „Und was kommt jetzt?“ ist seine Antwort klar: die vierte industrielle Revolution – alias Künstliche Intelligenz. Allerdings würde sich hier ein differenzierterer Blick lohnen. Keine Frage, die KI/AI wirbelt gerade vieles durcheinander. Und auch wenn wir schon mittendrin stecken, können wir die Tragweite noch gar nicht abschätzen. Die Strömungen, die aus den „Revolutionen“ resultieren, lösen einander nicht ab – sie existieren nebeneinander, auch wenn sich die Gewichte verschieben. Auch  wenn die AI gerade dominiert, gibt es in Teilbereichen noch die Facetten der vorherigen Revolutionen.

Selbst klassische Managementpraktiken aus der Welt der Produktion haben daher noch ihre Berechtigung. Wir müssen nur ihre Anwendung kritisch hinterfragen und jeweils entscheiden, ob sie in der konkreten Situation noch angemessen sind.

Als Management-Mode hat die AI aber sicher die agile Transformation abgelöst – obwohl das wiederum nicht ganz richtig ist, denn die Künstliche Intelligenz baut auf der Digitalisierung auf. So gesehen eine Fortsetzung auf einem anderen Level.

Aber bitte nicht falsch verstehen: Meine Skepsis gilt nicht der Künstlichen Intelligenz, sondern den Managementmoden. Ich bin grundsätzlich kein Freund von Moden. Die willigen Jünger haben sich nun ein neues Pferd ausgesucht, auf das sie genauso unreflektiert setzen, wie auf das vorherige. Ich fürchte, die Heerscharen agiler Coaches, die gerade auf der einen Seite hinauskomplimentiert werden, kehren auf der anderen Seite mit neuen AI-Zertifikaten in die Unternehmen zurück. Die geposteten Zertifikate auf LinkedIn sprechen bereits eine deutliche Sprache.

2. Beyond VUCA

Wenn VUCA nicht mehr reicht – Willkommen in BANI! Oder vielleicht besser: in MARVIS. Denn Jurgen Appelo geht über das gängige Denken in Unsicherheiten hinaus und liefert ein Framework, das differenzierter, aktueller und handhabbarer ist: Das Wicked Framework.

Zunächst ein kurzer Rückblick: VUCA steht für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität. Es wurde vor allem im militärischen Kontext geprägt und hat später Einzug in die Managementwelt gehalten. Doch Appelo meint: Diese vier Begriffe sind nicht mehr ausreichend, um die heutigen Herausforderungen zu beschreiben.

Er beschreibt zunächst das BANI-Modell (Brittle, Anxious, Nonlinear, Incomprehensible), zeigt aber auch seine Schwächen auf.

Deshalb schlägt Appelo ein eigenes Modell vor: das Wicked Framework – bestehend aus den sechs Dimensionen Modularity, Ambiguity, Reflexivity, Volatility, Intricacy und Scalability, kurz: MARVIS. Jede Dimension beschreibt einen bestimmten Aspekt der Unsicherheit. Für jede Dimension definiert Appelo drei typische Ausprägungen. Praktisch gedacht: eine Matrix zur Einordnung und zum Umgang mit komplexen Problemen.

Was daran spannend ist: Statt einer eindimensionalen Sicht auf Komplexität bietet MARVIS ein skalierbares, differenziertes Bild. Führungskräfte können systematisch reflektieren, wo ihre Herausforderungen liegen – und gezielt darauf reagieren.

Ein Beispiel: In einem System mit hoher Modularität und geringer Skalierbarkeit braucht es andere Interventionen als in einem hochvolatilen, reflexiven Umfeld.

Appelo träumt dann davon in den Profilen des MARVIS Modells Archetypen identifizieren zu können und für diese übertragbare Lösungsansätze zu entwickeln. Böse gesagt: Patentrezepte für Komplexität.

Da mag der Wunsch Vater des Gedanken sein, aber Träumen darf man ja.

3. Küchenwerkzeuge

Appelo nutzt eine Küchenmatapher und vergleicht Management-Tools mit Küchenwerkzeugen:
„Management tools, like kitchen tools, are built for predictable use cases. Strategic planning frameworks and stage-gate processes thrive in stable environments with familiar market dynamics. They’re great for whipping up tried-and-true dishes—or even new ones, provided the management paradigm remains unchallenged. The problem lies in today’s fast-changing, innovation-driven world. Standard tools fall short in new contexts. It’s like trying molecular gastronomy in a kitchen designed for Asian cuisine.“

Er schwärmt von der Einfachheit:
„Here’s what I noticed: the simpler the tool, the more often I use it. […] The simplest tools are the ones you’ll use most, and having a diverse range of devices equips you to tackle a broad array of challenges. In management, as in the kitchen, the rule is straightforward: Keep it simple and go wide.“

Und trotzdem brauchte es eine Vielfalt:
„Your management kitchen needs tools for both Michelin-star precision and grandma-level improvisation.“

Auch wenn wir mit unseren Werkzeugen in turbulenten Zeiten an unsere Grenzen stoßen:
„In a turbulent business landscape, traditional management tools are about as useful as an umbrella in a hurricane. They can’t handle the full buffet of uncertainty.“

4. Pattern Language & Pattern Library

Jurgen Appelo greift ein Konzept auf, das ursprünglich aus der Architektur stammt: die Pattern Language nach Christopher Alexander. Die Idee: Komplexe Systeme werden verständlich und gestaltbar, wenn wir sie in wiederkehrende Muster zerlegen – und diese Muster miteinander verknüpfen.

Was ist eine Pattern Language?
Eine Mustersprache beschreibt, wie einzelne Muster miteinander in Beziehung stehen und gemeinsam ein ganzes System formen. Muster sind keine Rezepte – sie sind situationsabhängige Lösungsbausteine. Der Clou: Durch die Verbindungen entsteht ein gestaltbares Ganzes.

Und was bringt das?
Vor allem eine eigene Sprache, die die Kommunikation über unsere komplexe Aufgabenstellung voranbringt und ganzheitliches Denken fördert.

Darüber hinaus:

  • Verständlichkeit durch Wiederholung
  • Reuse statt Re-Invention
  • Adaptivität durch Kombinierbarkeit

Und was ist eine Pattern Library?
Das ist die Sammlung dieser Muster – ein Werkzeugkasten. Wie ein LEGO-Set, aus dem du dein eigenes Bauwerk entwerfen kannst. Oder, um bei Appelos Metapher zu bleiben: eine gut ausgestattete Küche, in der du nach deinem eigenen Rezept kochst.

Und warum mich Pattern Language und Pattern Library so faszinieren?
Nun unsere Table of Elements (das hat jetzt gar nichts mit Appelo zu tun) ist so eine Pattern Library für das Projektmanagement. Wir haben im Projektmanagement gelernt Probleme zu erkennen und zu beschreiben und mit Hilfe einer solchen Library können wir sie bearbeiten.

5. Achso, AI und so…

Die AI ist noch ein bisschen zu kurz gekommen. Sie spielt bei Jurgen eine zentrale Rolle: 
„The relentless pace of technological change, particularly with AI, has transformed the business landscape into a shifting sand dune. Yesterday’s disruptor becomes today’s dinosaur, and your biggest competitor might be a startup no one had heard of last Tuesday.“

Er ist aber kein Kultur-Pessimist und zeigt, wo der Mensch noch gebraucht wird:

  • bei komplexen Problemlösungen
  • bei Technologiekompetenz: Zu wissen, wie KI funktioniert und wie man sich ihre Fähigkeiten zunutze macht, wird für viele Unternehmen entscheidend sein.
  • Körperliche Fertigkeiten
  • Soft Skills: Starke Kommunikations-, Kooperations- und Empathiefähigkeiten
  • Kreatives Denken

Appelo schreibt nicht nur über AI, sondern auch mit Hilfe der AI und kokettiert mit seinen Agenten. Er beschreibt die Circles of AI, AI Use Case Patterns und erklärt uns warum aus den T-shaped Helden im Zeitalter von AI jetzt M-skilled Heroen werden:
„The goal is to become M-shaped, combining mastery across multiple fields with strong business and leadership skills. For example, a product manager might also become an online marketer and video editor. A finance manager could develop additional strategic and technical abilities. With AI handling specialized work, people can tackle complex problems and think creatively across multiple disciplines.“

Fazit

Natürlich habe ich nur ein paar Schlaglichter auf  Jurgen Appelos Human Robot Agent werfen können. Aber vielleicht hat das ja gereicht, um Appetit zu wecken, denn eine Leseempfehlung ist es allemal.



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