#438 Scrum-Konferenz: Klassisches vs. agiles PM
Stefan Hagen eröffnet die zweite Woche der Scrum-Konferenz mit einem Interview unter dem Motto klassisches vs. agiles Projektmanagement. Doch eigentlich ist dieser Titel falsch, denn Stefan plädiert dafür situations- und projektspezifisch vorzugehen:
Die Methode sollte sich nach dem jeweiligen Projekt richten und nicht umgekehrt.
Agilen und klassischen Methoden gemein ist die Ausrichtung auf den Projekterfolg. Unterschiede gibt es in unterschiedlichen Sichten auf die Welt:
- Die Annahme der Planbarkeit (klassisch) vs. Unplanbarkeit (agil)
- Deterministisches Weltbild (k) vs. iteratives, evolutionäres Vorgehen (a)
- Projekthierarchie (k) – auch wenn Stefan diese Vokabel nicht gebraucht vs. Betonung von Selbstorganisation und Delegation von Verantwortung ins Team (a)
Stefan vertritt einen „aufgeklärten“ Planungbegriff: Aus seiner Sicht heißt Planbarkeit, dass Planung Sinn stiftet und dass es nicht darauf ankommt, dass ein Plan wortgetreu eintritt. In diesem Sinne ist die Welt auch weiterhin planbar.
Vielleicht liegt auch hier ein Missverständnis, lieber Stefan, denn ich finde agiles Vorgehen durchaus sehr planungsorientiert, aber die Planung erfolgt in anderen Rollen und in jeder Iteration.
Stefan plädiert für eine Planung in Bandbreiten, die im Projektverlauf oder im Lauf der Iterationen enger werden, sobald Unsicherheiten reduziert werden können.
Als ein Modell, dass klassische und agile Sichtweisen vereint und daher auch sehr gut als Ausgangspunkt für Diskussionen bei der Einführung agiler Methoden in einem klassischen Umfeld geeignet ist, nennt Stefan das Rational Unified Process Model.
In Unternehmen plädiert Stefan nicht für eine einheitliche Projektkultur, sondern für Vielfalt. Weit wichtiger sind einheitliche Grundwerte, z.B. das gemeinsame Verständnis, dass Projekte kommunikationsgetrieben sind. Die Unternehmenskultur muss auf sinnvolles Vorgehen ausgerichtet sein und nicht auf eine einzelne Norm. Die Methoden können sehr differenziert sein. Moderne Management- und Führungslehre geht ebenfalls in diese Richtung.
Stefan, meint, dass wir uns davon lösen müssen, zu sehr die Projektbrille auf zu haben. Vielmehr als auf die konkreten Methoden kommt es auf gute Führung und Management an. Führung in diesem Sinn ist eine Dienstleistung. Führung heißt dienen.
Projektmanagement kann in diesem Sinn auch als Management Development Plan gesehen werden.
Es folgen eine Reihe praktischer Empfehlungen:
Rhytmisierung von Schritten (z.B. Statusmeetings) oder das Time-Boxing-Prinzip können auch im klassischen Umfeld gewinnbringend eingesetzt werden.
Auch Enterprese/Web 2.0-Technologein können gewinnbringend in beiden Umfelden eingesetzt werden, aber auch der Tooleinsatz ist kontext- und personenspezifisch. Als wertvoll erachtet Stefan vor allem eine gemeinsame allen zugängliche Wissenbasis, wie sie auch schon durch einfache Tools wie GoogleDoks, Basecamp oder Zcope unterstützt wird.
Für praktische Komplexitätsreduktion schwört Stefan auf Mindmapping. Die wirkungsvollste Herangehensweise an Komplexität aus seiner Sicht ist die menschliche Intuition. Das Abfragen von „Bauchgefühl“ kann jede Risikocheckliste schlagen.
Um eine Gesamtsicht auf Portfolio- oder Programmebene zu erreichen, ist es wichtig wenige einfache Grundinformationen über alle Projekte hinweg zu erheben, egal ob diese agil oder klassische verfolgt werden.
Tags: Agiles PM, Führung, Management, SCRUM
8. Februar 2011 um 11:51
Natürlich haben wir den Titel bewusst so gewählt, um etwas „Spannung“ auszulösen. Du hast aber recht, dass ich natürlich dafür plädieren, dass die beiden „PM Paradigmen“ nicht gegeneinander sondern miteinander arbeiten (Stichwort: „Intergriertes Projektmanagement“).
Wie ich schon im Worknet der Scrumkonferenz kommentiert habe, besteht offensichtlich ein Missverständnis, was die Planung im agilen PM angeht. Selbstverständlich ist agiles PM nicht „planlos“, sondern wie Du schreibst handelt es sich um ein anderes Planungsparadigma, eine andere Philosophie. Es geht also nicht um gut oder schlecht, sondern vielmehr um „passend oder nicht“.
Meine These ist beispielsweise, dass klassische PM Ansätze und Methoden in Bereichen wie der Bauwirtschaft nach wie vor sehr wichtig sind. Denn bei komplexen Bauprojekten machen gut durchdachte Aufgaben- und Terminpläne (Balkenpläne) durchaus Sinn. Wir sind uns aber wahrscheinlich auch einig, dass vor dem Hintergrund dieser Planung auch an der Baustelle „agiles Vorgehen“ sehr verbreitet ist. Und das ist auch gut so und wird sich wohl nie ändern.
Meinen starken Fokus auf die Führungskräfte und das jeweilige Führungsverhalten habe ich in den letzten Jahren zunehmend ausgebildet. Denn ich bin davon überzeugt, dass Projektmanagement in Organisationen nur dann wirklich gut funktionieren kann, wenn es ein Teil der Unternehmenskultur geworden ist. Und Unternehmens- oder Organisationskultur wird am stärksten durch Führungsverhalten geprägt. Punkt.
Diesen Aspekt sollten wir bei der Professionalisierung des Projektmanagements aus meiner Sicht noch stärker betrachten. Welche Rolle nehmen Linienführungskräfte in Projekten wahr, welche Rolle wird den Projektleitern, Teilprojektleitern, Product Ownern oder Scrum Masters zugeschrieben? Im („vertikalen und horizontalen“) Führungsverhalten ist der größte Hebel hin zu einer aufgeklärten, erfolgreichen und professionellen Projektkultur.