Aller guten Dinge sind 3 – zumindest bei Jean-Phillippe Hagmann. Nach dem Innovationstheater und dem Meta-Modell für agile Innovation jetzt Luther für Innovatoren. Aber eigentlich ist es diesmal kein Buch zum Lesen, sondern eher zum Stöbern. Viel Kurzstrecke, keine Langstrecke. Ein Format mit vielen Thesen zum Nachdenken, auch wenn die Luther Analogie etwas überstrapaziert wird (die Luther-Zitate haben mich jetzt weniger angesprochen).
Weniger große Botschaft als viele Denkanstöße. Und es würde mich nicht wundern, wenn ich immer wieder zu diesem Buch zurückkehren werde (was mir sonst eher selten passiert).
Jeder These folgen 1-2 Seiten zur Erläuterung, Thesen wie:
Erfolgreiche Innovationen sind niemals neu. Denn das wirklich Neue findet niemals breite Akzeptanz.
Die Idee wird konstant überbewertet. Doch die Idee ist nichts ohne Innovation.
Innovation ist für viele Unternehmen wichtig, muss aber meist warten, weil sie nicht dringend ist.
Der Fokus auf die Machbarkeit einer neuen Idee wird von Innovationsteams systematisch überbewertet.
…
Und davon mindestens 95 Stück. Natürlich finden sich Schlagworte wie Serendepität, Künstliche Intelligenz, aber auch Negativraum.
Nicht jeder These wird man folgen, vielleicht regt sich auch Widerspruch, aber das ist gut so und auch gewollt.
Ein schönes kleines Büchlein. Eine klare Empfehlung.
Kennen Sie VUKA? Das überstrapazierte Akronym und Sinnbild der Herausforderungen unserer modernen Zeit?
VUKA steht für Volatilität (also extreme Ausschläge), Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität. So populär der Begriff ist, krankt er daran, dass die enthaltenen Begriffe nicht unabhängig voneinander sind.
Das „A“ greifen die beiden Autorinnen heraus und das ist erfrischend, denn vor allem zu Unsicherheit und Komplexität ist schon sehr viel gesagt worden.
Ambiguität, also Mehrdeutigkeit, verursacht Unsicherheit und Stress, aber unsere Kapazität für Ambiguität unsere Ambiguitätstoleranz ist trainierbar und darum geht es in diesem Buch.
Ganz zentral ist dabei der Status Quo, der uns vermeintliche Sicherheit suggeriert. Es ist daher vom Status Quo Bias die Rede, also unserer natürlichen Tendenz den Ist-Zustand gegenüber unsicheren künftigen Zuständen zu präferieren. Auf der anderen Seite lohnt sich die Auseinandersetzung mit Ambiguität, denn Ambiguität provoziert Fragen.
Unserer Kapazität für Ambiguität in unserem Fühlen, Denken und Handeln ist kontextspezifisch, aber Ambiguität kann auch ein Erfolgsfaktor sein:
When we aim to change, innovate, or transform, tolerating ambiguity is crucial for our success.
Letztlich gibt es 4 Erwartungshaltungen gegenüber dem Status Quo bzw. indirekt gegenüber der Ambiguität:
Protect the status quo
Restore the status quo
Evolve the status quo
Reimagine the status quo
Wenn wir uns der Ambiguität, der verschiedenen Erwartungshaltungen und dem Umgang damit bewusst sind, dann können wir mit 6 Design-Prinzipien bewusst Ambiguität für uns nutzen. Diese sind:
Open the Space
Leverage Tensions
Aim for Insights
Visualize the Invisible
Prototype Progress
Trust in Potential
Diesen Bogen arbeiten Katrin und Tamara aus. Ihr Anliegen ist es, unser Bewusstsein für ein so sperriges Thema zu schärfen und gleichzeitig aufzuzeigen, wie wir damit umgehen und es für uns nutzen können.
Eigentlich geht es bei dem amerikanisch-taiwanesischen Yu-Kai Chou gar nicht um Gamification, sondern um „human focused design“. Er hat dazu sein Octalysis-Framework entwickelt – zuerst auf seiner Homepage und dann in Buchform.
Eigentlich ist Octalysis eine Motivationstheorie. Abgeleitet tatsächlich aus der Analyse unzähliger Spiele versucht Yu-Kai Chou die zugrunde liegenden Treiber (core drives) für jegliches Handeln zu identifizieren. Er kommt dabei auf 8 Stück, die er in einem Oktagon anordnet, plus einen versteckten neunten Antrieb mit der Sensationslust.
Er ordnet die einzelnen Antriebe tendenziell der linken oder der rechten Gehirnhälfte zu, wobei er selbst darauf hinweist, dass diese Unterscheidung nicht neurowissenschaftlich begründet, sondern eher symbolisch zu verstehen ist.
Daneben unterscheidet er White Hat und Black Hat Gamification, also eher positiv oder negativ konnotierte Antriebe.
Zu den einzelnen Core Drives identifiziert er dann jeweils eine ganze Reihe von „Spieltechniken“, die sich als Design-Elemente nutzen lassen, um den jeweiligen Antrieb zu triggern. Also doch Gamification!
Spannend ist Yu-Kai Chous Reflexion von verschiedenen Behavioral Frameworks mit Hilfe von Octalysis:
Die verhaltenswissenschaftliche Fundierung (da dürfen auch Kahnemann & Co nicht fehlen) gibt dem „Schmuddelkind“ Gamification einen fundierten, sauberen Anstrich.
Und obendrein ist Yu-Kai Chous Baukasten vielversprechend.
Man kann über Elon Musk denken, was man will. Mir persönlich ist er unsympathisch und ich würde auch nur ungern mit ihm oder für ihn arbeiten, aber man muss anerkennen, dass er so viel erreicht hat, wie kaum ein anderer und damit meine ich nicht den Status in irgendwelchen Reichen-Listen, sondern seine unfassbare unternehmerische Gesamtleistung, angefangen mit einem eigenen Software-Unternehmen in der New Economy/Internet-Blase, über Paypal, Tesla, Space X bis hin zu Twitter/X. Und diese Liste ist ja auch noch lange nicht vollständig.
Walter Isaacson, der schon die viel beachtete Steve Jobs Biographie (Amazon Affiliate Link) veröffentlicht hat, hat sich mit Elons Unterstützung an dessen Fersen gehängt und wieder eine umfassende Persönlichkeitsstudie zusammengetragen. Isaacson weiß um dieses Privileg, ist aber (zum Glück) kein Fan-Boy. Er versucht sich an der vielschichtigen Persönlichkeit und liefert keine billige Success-Story, wobei Musks Erfolge ja zweifellos eindrucksvoll sind.
So zieht der Biograph am Ende ein treffendes Fazit:
Do the audaciousness and hubris that drive him to attempt epic feats excuse his bad behavior, his callousness, his recklessness? The times he’s an asshole? The answer is no, of course not. One can admire a person’s good traits and decry the bad ones. But it’s also important to understand how the strands are woven together, sometimes tightly. It can be hard to remove the dark ones without unraveling the whole cloth.
Der Sohn eines Psychopathen (so der Eindruck) entschuldigt seine Empathielosigkeit mit seinem Asperger Autismus, wobei, wie Isaacson zurecht anmerkt, das sein Verhalten nicht rechtfertigt, aber zumindest erklärt.
Musk ist rücksichtslos gegenüber sich selbst und gegenüber anderen. Seine Einstellung gegenüber Risiken macht ihn fasst schon zu einem Hasardeur und trotzdem ist er kein Zocker. Als Kind der Software-Entwicklung folgt er der Maxime fail early. Er ist getrieben von Visionen und er hat Prinzipien, die er konsequent umsetzt.
Ein Beispiel hierfür ist der „Algorithmus“, die zentralen Prinzipien der Fertigung bei Space X:
Question every requirement
Delete any part or process you can
Simplify and optimize
Accelerate cycle time
Automate
Solchen Prinzipien folgend hat die „Schester“ Tesla heute die eigene Wertschöpfungskette weit mehr unter Kontrolle, als die altgedienten Auto-Bauer.
Musk fordert und überfordert in dem er diese Prinzipien, wie die Vereinfachung bis auf die Spitze treibt:
[…] if you don’t end up having to restore 10 percent of the parts you deleted, then you didn’t delete enough.
Mit dieser Radikalität stellt er ganze Industriezweige auf den Kopf. Mit neuen Geschäftsmodellen hat er Platzhirschen wie Boeing in der Luft- und Raumfahrt in die Suppe gespuckt und lässt sie als alte, vom Aussterben bedrohte Dinosaurier aussehen. Und seine Challenge der Automobil-Industrie ist weit mehr als die Umsetzung der E-Mobilität, da geht es auch um Digitalisierung, Logistik und die eigene Wertschöpfungskette.
Natürlich stand die Zukunft seiner Unternehmen auch schon das eine oder andere mal auf der Kippe, aber anscheinend hat er trotz oder vielleicht auch wegen seiner Risiko-Einstellung und der Radikalität gegenüber sich selbst, nicht nur ein glückliches Händchen, sondern zumindest sein persönliches Erfolgsrezept.
Vielleicht hat er sich bei Twitter/X verzockt. Seine politischen und persönlichen Einstellungen muss man wirklich nicht teilen. Und trotzdem ist sein Werk alles in allem beachtlich.
Für die Lesefaulen noch ein Tipp: In der ZDF-Mediathek gibt es eine dreiteilige Dokumentation über Musk. Natürlich kann sie nicht die Tiefe von Isaacson Biographie erreichen, ist aber trotzdem sehenswert und noch bis 22.11.2025 verfügbar in Deutschland.
Raphael Gielgen ist Trendscout beim Schweizer Möbelhersteller Vitra und sein Format für die Trendanalyse ist das Work Panorama. Beim Versuch mich mit dieser Methodik auseinander zu setzen habe ich ein Interview geführt, allerdings nicht mit Raphael, sondern mit Bard dem ChatGPT Pendant von Google.
Frage: Wie erstellt Raphael Gielgen ein Work Panorama?
Antwort: Raphael Gielgen, Trendscout Future of Work Life & Learn bei Vitra, erstellt das Work Panorama auf Basis einer umfassenden Recherche. Er analysiert globale Entwicklungen und Technologien, um deren Auswirkungen, Herausforderungen und Chancen für die Arbeitswelt zu identifizieren. Dazu gehören unter anderem:
Trendforschung: Gielgen analysiert aktuelle Trends aus Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Technologie. Er bezieht sich dabei auf eine Vielzahl von Quellen, darunter Fachliteratur, Studien, Statistiken, Unternehmensberichte und Social-Media-Posts.
Expertengespräche: Gielgen führt Interviews mit Experten aus der Arbeitswelt, darunter CEOs, HR-Manager, Designer und Wissenschaftler.
Besuche von Büros: Gielgen besucht Büros von Unternehmen aus aller Welt, um sich ein Bild von den aktuellen Arbeitsbedingungen zu machen.
Auf Grundlage dieser Recherche erstellt Gielgen eine Übersicht der wichtigsten Trends und Entwicklungen für die Arbeitswelt. Diese Übersicht wird dann in das Work Panorama integriert. Das Work Panorama wird jährlich aktualisiert, um die neuesten Entwicklungen zu berücksichtigen.
Hier sind einige der wichtigsten Schritte, die Raphael Gielgen bei der Erstellung des Work Panoramas unternimmt:
Erstellung eines Forschungsplans: Gielgen definiert die Themen und Fragestellungen, die er in seiner Recherche untersuchen möchte.
Recherche: Gielgen sammelt Daten und Informationen aus verschiedenen Quellen.
Analyse: Gielgen analysiert die gesammelten Daten und Informationen, um Trends und Entwicklungen zu identifizieren.
Interpretation: Gielgen interpretiert die Ergebnisse seiner Analyse und stellt sie in einen Kontext.
Visualisierung: Gielgen visualisiert die Ergebnisse seiner Analyse in Form von Grafiken, Diagrammen und Karten.
Publikation: Gielgen veröffentlicht das Work Panorama in Form eines Berichts oder einer Präsentation.
Das Work Panorama ist ein wertvolles Tool für Unternehmen, die sich für die Zukunft der Arbeit interessieren. Es bietet einen Überblick über die wichtigsten Trends und Entwicklungen, die die Arbeitswelt in den kommenden Jahren prägen werden.
Frage: Wie sieht die Struktur eines solches Panoramas aus?
Antwort: Die Struktur eines Work Panoramas ist in der Regel in drei Ebenen unterteilt:
Überblick: In dieser Ebene wird ein Überblick über die wichtigsten Trends und Entwicklungen für die Arbeitswelt gegeben. Dabei werden die Trends und Entwicklungen in einen Kontext gestellt und ihre Auswirkungen, Herausforderungen und Chancen diskutiert.
Vertiefung: In dieser Ebene werden ausgewählte Trends und Entwicklungen in einem tieferen Detailgrad untersucht. Dabei werden verschiedene Perspektiven einbezogen, um ein umfassendes Verständnis der jeweiligen Entwicklung zu ermöglichen.
Praktische Umsetzung: In dieser Ebene werden konkrete Handlungsempfehlungen für Unternehmen und Organisationen gegeben, wie sie die jeweiligen Trends und Entwicklungen für sich nutzen können.
Die Struktur eines Work Panoramas kann je nach Fokus und Zielgruppe variieren. So kann beispielsweise ein Work Panorama für Unternehmen einen stärkeren Fokus auf die Auswirkungen von Trends und Entwicklungen auf die Unternehmensorganisation haben, während ein Work Panorama für Arbeitnehmer einen stärkeren Fokus auf die Auswirkungen von Trends und Entwicklungen auf die Arbeitserfahrung haben kann.
Hier ist ein Beispiel für die Struktur eines Work Panoramas:
Überblick:
Die globale Arbeitswelt im Wandel
Die Auswirkungen von Megatrends auf die Arbeitswelt
Chancen und Herausforderungen für Unternehmen
Vertiefung:
Die digitale Transformation der Arbeitswelt
Die Bedeutung von Arbeit und Lernen
Die Zukunft der Arbeit
Praktische Umsetzung:
Wie Unternehmen die digitale Transformation gestalten können
Wie Unternehmen Arbeit und Lernen miteinander verbinden können
Wie Unternehmen die Zukunft der Arbeit gestalten können
Das Work Panorama ist ein wertvolles Tool für Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen, die sich für die Zukunft der Arbeit interessieren. Es bietet einen Überblick über die wichtigsten Trends und Entwicklungen, die die Arbeitswelt in den kommenden Jahren prägen werden.
Frage: Welche Rolle spielen dabei What-if-questions?
Antwort: What-if-Fragen spielen eine wichtige Rolle bei der Erstellung eines Work Panoramas. Sie helfen dabei, neue Perspektiven zu eröffnen und alternative Zukunftsszenarien zu entwickeln.
What-if-Fragen sind Fragen, die mit „was wäre, wenn“ beginnen. Sie können sich auf eine bestimmte Situation, einen Trend oder eine Entwicklung beziehen. Beispiele für What-if-Fragen sind:
Was wäre, wenn künstliche Intelligenz die meisten Arbeitsplätze übernehmen würde?
Was wäre, wenn die Arbeitskräftestrukturen sich so verändern würden, dass die meisten Menschen freiberuflich arbeiten würden?
Was wäre, wenn die Bedeutung von Arbeit im Leben der Menschen abnehmen würde?
What-if-Fragen helfen dabei, die Grenzen des Denkbaren zu erweitern und neue Möglichkeiten zu entdecken. Sie können dabei helfen, neue Trends und Entwicklungen zu identifizieren, die sonst übersehen werden könnten.
Bei der Erstellung eines Work Panoramas können What-if-Fragen auf verschiedene Weise eingesetzt werden:
Zur Ideenfindung: What-if-Fragen können dabei helfen, neue Ideen für die Zukunft der Arbeit zu entwickeln.
Zur Bewertung von Trends und Entwicklungen: What-if-Fragen können dabei helfen, die Auswirkungen von Trends und Entwicklungen auf die Arbeitswelt zu bewerten.
Zur Entwicklung von Handlungsempfehlungen: What-if-Fragen können dabei helfen, Handlungsempfehlungen für Unternehmen und Organisationen zu entwickeln, um sich auf die Zukunft der Arbeit vorzubereiten.
What-if-Fragen sind ein wertvolles Werkzeug für die Erstellung eines Work Panoramas. Sie können dabei helfen, eine umfassende und differenzierte Sicht auf die Zukunft der Arbeit zu entwickeln.
Frage: Sind die What if Fragen Teil des Forschungsplans?
Antwort: Ja, What-if-Fragen können Teil des Forschungsplans für ein Work Panorama sein. Sie können dabei helfen, die Themen und Fragestellungen zu definieren, die in der Recherche untersucht werden sollen.
Bei der Erstellung eines Forschungsplans ist es wichtig, sich zunächst über die Ziele und Zielgruppe des Work Panoramas Gedanken zu machen. Welche Fragen sollen beantwortet werden? Für wen ist das Work Panorama gedacht?
Anschließend können What-if-Fragen helfen, die Themen und Fragestellungen zu konkretisieren. Was sind die wichtigsten Trends und Entwicklungen, die die Arbeitswelt in den kommenden Jahren prägen werden? Welche Auswirkungen haben diese Trends und Entwicklungen auf die Arbeitswelt?
What-if-Fragen können auch dabei helfen, die Grenzen des Denkbaren zu erweitern und neue Perspektiven zu eröffnen. Sie können dazu beitragen, dass der Forschungsplan umfassend und differenziert ist.
Hier sind einige Beispiele für How-if-Fragen, die in einem Forschungsplan für ein Work Panorama enthalten sein könnten:
Welche Auswirkungen hätte es, wenn künstliche Intelligenz die meisten Arbeitsplätze übernehmen würde?
Wie würde die Arbeitswelt aussehen, wenn die Arbeitskräftestrukturen sich so verändern würden, dass die meisten Menschen freiberuflich arbeiten würden?
Welche Rolle würde Arbeit im Leben der Menschen spielen, wenn die Bedeutung von Arbeit abnehmen würde?
Diese Fragen können dazu beitragen, dass die Recherche für ein Work Panorama zielgerichtet und effizient ist. Sie können dabei helfen, neue Erkenntnisse zu gewinnen und die Zukunft der Arbeit besser zu verstehen.
Eigentlich könnte dieser Beitrag auch in der Rubrik „Gelesen“ stehen, denn Anlass war das kleine aber feine Buch von Dieter Geckler über Kreativität (Amazon Affiliate Link).
Dieter Geckler ist ein Prozessmensch und so beschreibt er (nach einem Exkurs über die Geschichte der Kreativität) wie auf drei Ebenen (Einzelperson, Team, Organisation) ein kreativer Prozess abläuft. Natürlich nicht linear, sondern mit Sprüngen. Trotz aller gemachten Einschränkungen fühlt sich das Ganze aber doch sehr geordnet und strukturiert an. Er schreibt zwar, dass Kreativität nicht im Detail planbar ist aber bei der Lektüre fühlt es sich dann doch anders an. Und dann sind wir bei einem (Mikro-)Management für Kreativität.
Was mir fehlt sind Strategien zur Ermöglichung von Kreativität und da würden mir ein paar einfallen:
(Frei-)Räume schaffen
Lernbereitschaft und Fehlerkultur
Visuelles Denken, Storytelling und Spielen
Effectuation
Verwertung und Speicherung
Kommunikation und Austausch
Machen!
Aber der Reihe nach…
ad 1 – (Frei-)Räume schaffen
Räume und Flächen nutzen kann man visuell und haptisch, aber natürlich auch im übertragenen Sinn. Wenn wir vollkommen ausgeplant sind, bleibt keine Zeit für Kreativität. Wir brauchen Zeit und Platz für eigene Ideen und Gedanken. Die müssen erst einmal gar nicht zielgerichtet sein, aber nur so lernen wir uns zu entfalten. Und natürlich widerspricht das unserem Effizienzdrang. Wollten wir nicht Verschwendung vermeiden? Manchmal müssen wir aber auch Unproduktivität ertragen, um auf einer anderen Ebene wieder produktiv werden zu können. Für solche Freiräume gibt es in der Managementlehre den Terminus des Organizational Slack.
ad 2 – Lernbereitschaft und Fehlerkultur
Neugier, Offenheit und Lernbereitschaft sind ebenso wichtig wie eine Fehlerkultur. Fehler sind kein Stigma, sondern ein Geschenk, die neues Lernen erlauben. Und doch sind wir bei Fehlern schnell nachtragend und suchen den Schuldigen, obwohl die Suche nach Schuldigen völlig absurd ist: Wir verschwenden weitere Energien, anstatt konstruktiv das Beste aus einer Situation zu machen.
ad 3 – Visuelles Denken, Storytelling und Spielen
Zugegeben einige meiner Lieblingsthemen. Wichtig in dieser Kategorie ist, dass uns diese Dinge helfen können, ohne dass sie bereits methodische Schärfe mit sich bringen. Im Gegenteil die Unschärfe ist ihre Stärke, sie bewahrt uns vor voreiligen Kurzschlüssen und regt zur weiteren Auseinandersetzung an. Das mag vielleicht „unwissenschaftlich“ sein, ist aber verdammt effektiv. (Wobei es durchaus wissenschaftliche Erklärungen für die Wirkungsweise gibt.)
ad 4- Effectuation
Effectuation hatten wir hier schon einmal. Die empirische Herleitung der Effectuation mag ich zwar überhaupt nicht, Ihre Prinzipien halte ich aber für wegweisend:
Das Prinzip der Mittelorientierung (Welche Mittel und Möglichkeiten stehen uns überhaupt zur Verfügung?)
Das Prinzip des leistbaren Verlusts (Wo ist unsere Schmerzgrenze? Wieviel Verlust können wir uns für Ausprobieren und Lernen leisten?)
Das Prinzip der Umstände und Zufälle – Neudeutsch: Serendepität
Vereinbarungen und Partnerschaften (Wieso alles allein machen? Unsere Partner sind auch ein Mittel dass wir wechselseitig gewinnbringend nutzen können.)
ad 5 – Verwertung und Speicherung
Dieter Geckler weist im Rahmen der Digitalisierung auf elektronische Bibliotheken, z.B. für unser CAD-Programm hin, aber wir können natürlich schon viel früher anfangen (Geckler verweist auf Zettelkästen), aber da gibt es natürlich auch Sketchbooks, Archive und alle möglichen Hilfsmittel, die wir im Prinzip kennen, aber dann doch zu faul sind, sie auch konsequent zu nutzen, um unsere Ideen und Gedanken auch wiederzufinden, aber das reicht noch nicht, wir wollen sie ja auch noch umsetzen verwerten oder nutzbar machen.
ad 6 – Kommunikation und Austausch
Der Diskurs über Kunst/Kreativität kann weitere Kreativität auslösen und nach sich ziehen (sofern er nicht zum Selbstzweck degeneriert). Ähnlich wie bei der Fehlerkultur ist hier auch Offenheit gefragt. Das Gegenteil sind Bücherverbrennung und Diffamierung als entartete Kunst. Aber auch im Guten verbirgt sich die Gefahr der Political Correctness, die zu Selbstbeschneidung und Zensur führt.
ad 7 – Machen!
Last but not least das Wichtigste: Wir wollen schließlich nicht nur über Kreativität philosophieren (was ja ok ist), sondern in die Puschen kommen. Innovationsprozesse können die Kreativität erdrücken. Und genau das wollen wir ja nicht. Wir wollen ja nicht die Innovationsmaschinerie anschmeißen, sondern in unserem Denken und Handeln kreativ sein. (Bei Geckler findet sich übrigens der schöne Begriff der Alltagskreativität.)
Diese Liste von Strategien zur Ermöglichung von Kreativität ist sicher unvollständig. Die einzelnen Strategien können sich auch ergänzen.
Aber wir wollen Kreativität ja nicht nur verwalten, sondern sie inspirieren und lostreten.
PS: Credits für die Illustration gehen übrigens an mein Töchterlein, bei der ich diese schon etwas älteren kolorierten Skribbels geklaut habe.
Wie, ich habe hier gar nicht über das „Digital Innovation Playbook“ geschrieben? Das war mit gar nicht bewusst und ich schätze es sehr. Es ist das erste von drei „Playbooks“ der Berliner Beratung Dark Horse und es zählt zu meinen Lieblingsbüchern.
Und das sind die drei Playbooks (Amazon Affiliate Links):
Alle drei sind mit eigener Optik und Haptik im Murrmann-Verlag umgesetzt. Ein Traum für Bücherfreunde, aber leider etwas unpraktisch. Die zarten Farbeschemata und die feinen Schriftarten sind nicht nutzerfreundlich was scannen und kopieren angeht. Seufz. Und für ein Playbook, das ja im übertragenen Sinn Spielzüge und Vorlagen liefern will eigentlich ein böser Fehler. Naja, einige Downloadas gibt es dann immer auf der Homepage. Zur Verlagspolitik scheint es auch zu gehören, die Bücher nicht in einer digitalen Variante anzubieten – selbst ist der Mann…
Aber ich schweife ab, denn aktuell geht es ja um das im Frühjahr erschienene rote „Future Organization Playbook“.
Nach dem Erfolg des Gelben folgte, das mit dem Thema Arbeitsraumgestaltung doch etwas spezielle Grüne und jetzt das Rote mit dem Schwerpunkt Organisationsentwicklung und adaptive Strategie.
Adaptive Strategien, bzw. adaptive Organisationen sind das Kernstück des Roten.
Unter adaptiver Strategie versteht Dark Horse so etwas wie die Schnittmenge aus Transformationsfähigkeit und Innovationsfähigkeit. Letztere bilden den zweiten und dritten Teil des Buches, während das erste Drittel der adaptiven Strategie gewidmet ist. (Teil 4 enthält dann noch ein paar inhaltlich gute Essays, die leider nicht in vollständig in den vorderen Teil des Buche eingearbeitet wurden (als Lektor hätte ich euch damit nicht durchkommen lassen!),
Um ehrlich zu sein: wirklich abgeholt hat mich vor allem der erste Teil. Das soll kein Malus sein, denn das Thema Innovation wurde ja schon ausgiebig im gelben Playbook angesprochen und mag darüber hinaus auf meine persönlichen Interessen zurückgehen.
Um eines klarzustellen: Ich bin auch beim nächsten Playbook mit dabei und einen perfect match erwarte ich auch nicht (im Gegenteil: das käme mir suspekt vor).
Der Canvas-Freund freut sich am Strategie-Hexagon mit den Feldern:
Zweck
Kultur
Struktur
Spielfeld
Wertversprechen
Kompetenz
…mit dem gearbeitet und „gespielt“ wird.
In Anlehnung an Henry Mintzberg wird zwischen geplanten und emergenten Strategien unterschieden. Mit dem M/O/A-Modell aus Markierungen, Optionen entscheiden und Arbeit habe ich zunächst etwas gefremdelt (vor allem mit dem Begriff Markierungen). Letztlich dient es der Darstellung von geplanten und emergenten Strategien. Während geplante Strategien top top down von Markierungen über die (bewusste) Entscheidung zwischen Optionen entstehen und dann auf der Arbeitsebene umgesetzt werden, „passieren“ emergente Strategien bottom-up aus dem Tagesgeschäft in dem wir retrospektiv die Entscheidung über etwaige Optionen identifizieren können und die sich dann in unseren Markierungen, wie unseren Werten niederschlagen.
Natürlich gibt es auch wieder viele Methoden und Workshop-Designs, aber wie bereits erwähnt, bin ich vor allem beim Thema adaptive Strategien hängengeblieben.
Wer das Gelbe nicht kennt, wird sicher auch seine Freude an den Innovationsthemen haben – auch wenn das nur ein Appetizer auf mehr, nämlich dem gelben Playbook sein kann.
Aber genug für diesmal: Auch wenn das Gelbe mein Favorit ist, ist das Rote durchaus eine Empfehlung!
Dark Horse Innovation; Future Organization Playbook – Die unverzichtbare Anleitung für innovative Unternehmen in der Transformation; Hamburg, 2023, ISBN: 9783867747554
Auch wenn künstliche Intelligenz und insbesondere ChatGPT als Hype-Thema gerade überstrapaziert sind, werden wir alle nicht umhin kommen, uns damit zu beschäftigen.
Besonders ins Auge gestochen ist mir dabei eine Rollenübersicht von Mike Sharples:
Auch wenn die dort definierten Rollen wohl für den Hochschulkontext entwickelt wurden, finde ich sie auch darüber hinaus wichtig und inspirierend.
(2) Gefahren
Mit dem Nutzen von AI gehen auch neue Gefahren einher und ich meine damit nicht die „böse AI“. Beim BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informatiosntechnik) findet sich bereits einiges hierzu auf der BSI-Homepage oder zusammgefasst in dem Artikel „AI security concerns in a nutshell„.
Die Reihe Gelesen haben wir hier zuletzt (bis auf ein paar Best of…) sträflichst vernachlässigt. Dabei wurde auch 2022 durchaus gelesen. Ein Thema dabei war Effectuation – und das gleich zweimal:
Zunächst im Original bei Saras D. Sarasvathy und dann beim deutschsprachigen Vorreiter Michael Faschingbauer (Amazon Affiliate Links):
Effectuation ist eine Art unternehmerisches Framework, basierend auf ein paar Grundannahmen und Prinzipien, abgeleitet aus einer empirischen Studie von Sarasvathy.
Effectuation versteht sich als eine alternativer Ansatz zum linear-kausalen Methodenkoffer, der durch Vielfalt, Vernetztheit, Dynamik und begrenzten Einfluss immer wieder an seine Grenzen stößt.
Effectuation ist eine unternehmerische Theorie(?) die auf die Theorie verzichtet, sondern auf der Anwendung von vier Prinzipien beruht:
Prinzip der Mittelorientierung
Prinzip des leistbaren Verlusts
Prinzip der Umstände und Zufälle
Prinzip der Vereinbarungen und Partnerschaften
Diese Prinzipien ersetzen oder ergänzen so Dinge wie das ökonomische Prinzip oder den homo oeconomicus.
Statt zu fragen, wie kann ich meinen Gewinn maximieren/meine Kosten minimieren, frägt Effectuation nach den verfügbaren Mitteln, die uns zur Verfügung stehen (Prinzip der Mittelorientierung).
Die Frage nach dem leistbaren Verlust ist die Frage danach, welchen Spielraum für Experimente wir haben. Wieviel Aufwand können wir uns leisten um zu lernen? Experimentieren statt optimieren. Nur durch Experimente sind Innovationen möglich. D.h. ja nicht, dass Optimierung und lineare Kausalität falsch sind, aber sie führen uns eher in die Verwaltung und Optimierung und nicht ins Unternehmertum und zur Kreierung von Neuem.
Dafür müssen wir offen sein für Umstände und Zufälle – Stichwort Serendepity (Wikipedia).
Vereinbarungen und Partnerschaften sind eigentlich nichts anderes als die Anwendung der Mittelorientierung und die Nutzung von Umständen und Zufällen im Sozialen.
Zentrale Fragen im dynamischen Effectuation Modell sind: Wer bin ich? Was weiß ich? Wen kenne ich? (Verfügbare Mittel) und dann weiter: Was kann ich jetzt tun? Mit wem kann ich darüber reden?
Sarasvathy braucht keine deutschsprachige Übersetzung, denn dafür gibt es ja Michael Faschingbauer. Während Sarasvathy doch noch den akademischen Duktus mitbringt, liefert Michael Faschingbauer eher die Umsetzung und wird trotzdem Sarasvathy gerecht. Bei Faschingbauer gibt es auch Fallsstudien und eine Toolbox.
Eine kritische Anmerkung noch zur empirischen Grundlage von Sarsvathy: Ihre Definition von Experten-Unternehmertum (mindestens zehn Jahre Vollzeit-Erfahrung in der Gründung und Führung von Unternehmen hat, mehrere Unternehmen, darunter erfolgreiche und gescheiterte, gegründet hat und mindestens ein Unternehmen an die Börse gebracht hat) ist schon sehr speziell. Fokussiert mehr auf Elon Musk, Jeff Bezos & Co und ignoriert letztlich große Teile unserer Wirtschaft und des Unternehmertums, beansprucht aber die Verallgemeinerbarkeit der Erkenntnisse. Auch wenn die Ideen sehr spannend und vielversprechend sind, die Betonung dieser empirischen Basis ist dann doch akademische Augenwischerei. Da gibt es keinen Mittelstand und keine Familienunternehmen. Dort sind die Prinzipien auch anwendbar, aber enthalten ganz sicher noch andere Facetten, die nicht minder interessant sein dürften.
Vor einer ganzen Weile war hier schon einmal von einem anderen Buch von Jean-Phillipe Hagmann die Rede: „Hört auf, Innovationstheater zu spielen!“ (Amazon Affiliate Link). Sein neues Buch war schon länger angekündigt, die Auslieferung hat sich aber offenbar verzögert (was auch immer gerade beim Vahlen Verlag los ist – ein zweites Buch auf meiner Watchlist ist auch noch nicht raus).
Umso gespannter war ich auf das Meta-Modell für agile Innovation. Und selbstverständlich ist es kein „normales“ Buch. In konventioneller Art und Weise über ein Thema wie Innovation zu schreiben, wäre ja auch irgendwie eine Themaverfehlung. Von daher: ganz nach meinem Geschmack.
Und siehe da: In Romanform, d.h. in Romanform plus (handschriftlicher) Anmerkungen des Autors. Das Innenleben des Buches erinnert von daher optisch etwas an Druckfahnen in der Korrektur. Das Buch hat tatsächlich eine Meta-Ebene, allerdings weniger auf der Modellebene, wie der Titel suggeriert, sondern eher auf der Handlungs-/Inhaltsebene. Da gibt es als eigentlichen Kern ein Science Fiction-Reisetagebuch (woher mir so ein Format doch bekannt vorkommt…) und dann die Anmerkungs- und Interpretationsebene, d.h. Interpretationsebene ist eigentlich falsch, denn der Kommentator interpretiert die Reisegeschichte weniger als eine Metapher für Innovation, sondern er nimmt diese Metapher als gesetzt. Da hätte mir ein bisschen Spiel mit dem Zweifel gefallen, aber nichts da, die Geschichte wird bis auf ihr Skelett zum Modell für agile Innovation seziert. Wobei mir diese Heldenreise eigentlich noch mehr als Metapher über Innovatoren, denn als Metapher über Innovation gefallen hätte.
Großartige Idee, sehr schön umgesetzt, aber…
Aber? Ja, aber. Ich finde das Format schwer lesbar. Die Sciene Fiction Story liest sich natürlich ganz leicht und die Idee handschriftlicher Anmerkungen ist witzig, in der Fülle aber anstrengend zu lesen. Und dabei stecken doch die fachlichen Inhalte gerade dort. Das eigentliche Innovationsmodell gibt es „nur“ als Skribbel (gleich auf der ersten Umschlaginnenseite, bzw. in Entwicklungsschritten in den Anmerkungen; im Inneren sind dann ein paar bunte SciFi-Bilder eingestreut in die Story). Ich muss gestehen, dass ich bei der Lektüre mich zunehmend auf die reine Romanhandlung fokussiert habe. Die Anmerkungen ergeben keinen geschlossenen Text und sind in dieser Form nicht lesefreundlich. Sie sind eher so etwas wie ein Zettelkasten zur Innovation (das ist jetzt nicht despektierlich gemeint, denn über Zettelkästen wurde auch hier schon berichtet). Das Modell per se liefert einen guten Bezugsrahmen, aber um mich inhaltlich mit Innovation auseinanderzusetzen, würde ich wahrscheinlich eher wieder zum Innovationstheater greifen. In der verspielten Form verzichten viele Referenzen und Begrifflichkeiten auf eine Erklärung. Gut für die Story, aber schlecht für Leser, die noch nicht so tief im Thema sind, die sich nocht nicht mit Design Thinking Lean Startup oder der Brückenbauermetapher beschäftigt haben. Dabei ist doch gerade so ein Format eher ein Türöffner. Etwas schade, aber trotzdem eine spannende Lektüre und ein sehr schön gemachtes Buch.