Drüben im Projekt-Werkraum auf LinkedIn haben wir eine Reihe mit Projektinterviews gestartet. Unser erster Gast war Ralph Joacham, agiles Urgestein, Trainer und u.a. Autor von „The Professional Product Owner“.
Und als kleines Weihnachstspecial erscheint diese Woche noch Folge 2 mit dem nächsten Gast – seid gespannt!
Wir haben uns nicht nur vorgenommen auf dieser Plattform Content zum Thema Projekte und Projektmanagement zu generieren und mit der Community zu teilen (also am Besten gleich dem Projekt-Werkraum auf LinkedIn folgen), diese Reihe war auch der Versuch unser eigenes Setup und die eigene Video-Produktion zu challengen. Durch die Zusammenarbeit mit den lieben Kollegen von LinkedIn Learning sind wir verwöhnt und unsere Ansprüche sind hoch. Wir haben die Ärmel hochgekrempelt und im Werkraum erstmal losgelegt und das Ergebnis kann sich sehen lassen:
In Folge 1 geht es um die Frage: Wann ist ein Projekt erfolgreich? Es folgen Definition/Beispiele von Erfolg. Es geht erstmal um die inhaltliche Dimension von Erfolg.
Die Reihe basiert auf einem Vortrag, den ich im Juni auf den PMDays der Kayenta halten durfte (nochmal vielen lieben Dank an Werner Plewa für die Einladung!).
Ich hatte auf dem PMCampMUC und im Projektmagazin ja schon (falsche) Selbstverständlichkeiten im Projektmanagement thematisiert, also Dinge die wir unterschätzen oder falsch einschätzen ohne sie überhaupt zu hinterfragen.
Ganz in diesem Sinne findet sich in der aktuellen Ausgabe von Projektmanagement aktuell ein Beitrag von Gero Lomnitz: Mythen über den Auftraggeber aus Sicht der Projektleitung.
Diese 6 Irrtümer wollen wir natürlich niemanden vorenthalten:
Der Auftraggeber muss mir einen klaren Auftrag erteilen.
Der Auftraggeber weiß genau, wa er will.
Der Auftraggeber steht hinter dem Projekt.
Der Auftraggeber verfügt über Durchsetzungsmacht, um die notwendigen Entscheidungen zu treffen.
Das Interesse des Auftraggebers hat sich im Verlauf des Projektes nicht geändert.
Der Auftraggeber kennt seine Rolle und lebt sie auch.
Weil wir heute im Workshop wieder auf den openPM Canvas zu sprechen gekommen sind, hier noch einmal das Erklärvideo.
Hinter dem openPM-Canvas verbirgt sich die Idee anhand eines vorgegebenen Rasters auf einer „Leinwand“ in grafisch, visueller Form ein Projekt samt seiner Besonderheiten und Restriktionen darzustellen. Es handelt sich dabei um eine Art Mischung aus Strukturierung, Visualisierung & Storytelling.
Vor einer Weile habe ich hier über einen 3-C-Projekmanagement-Approach geschrieben. Mittlerweile würde ich gerne das 3-C zu einem 4-C erweitern.
Die Idee dahinter war, unabhängig von der jeweiligen Projektmanagementsystematik oder -schule den Fokus auf Kerngebiete für den Projekterfolg zu legen, um die Wahrscheinlichkeit für den Projekterfolg signifikant zu erhöhen.
Es gibt Bereiche mit außergewöhnlichen Einfluss auf den Projekterfolg, aber auch wenn man sich auf diese konzentriert, kann man das Ergebnis immer noch grandios „versemmeln“. Es handelt sich nicht um simple Erfolgsfaktoren, die bei Einhaltung, die Erfolgswahrscheinlichkeit multiplizieren, sondern um besonders sensitive Bereiche, deren Vernachlässigung ebenso fatal sein kann, wie deren Ausgestaltung zum Erfolg beitragen kann. Aber es gilt nicht nur ihnen hinreichend Beachtung zu schenken, wir müssen dabei das Richtige tun. Ein Beispiel: Es gilt nicht nur zu kommunizieren, sondern „richtig“ zu kommunizieren. Also die richtigen Inhalte, zur richtigen Zeit, an den richtigen Adressatenkreis in der richtigen Form…
Aber, von welchen Bereichen (welchen Cs) sprechen wir? (Nun, damit es „schöne“ Cs werden, bedienen wir uns des Englischem.)
Die Fokus-Areas erfolgreicher Projektarbeit sind demnach:
Common Sense – Gesunder Menschenverstand
Context
Communication
Collaboration – Zusammenarbeit
Aber kommen wir zu den einzelnen Bereichen im Detail:
Common Sense
Machen wir uns nichts vor: Projektmanagement ist keine Rocket Science, sondern vor allem die systematische Anwendung von gesundem Menschenverstand. Dabei die Betonung auf „systematisch“ bitte nicht vergessen. Es geht schließlich nicht darum zwischendurch mal sein Hirn einzuschalten, sondern der Anspruche (zumindest eines professionellen Projektmanagers) sollte sein, dies laufen zu tun. Das lässt immer noch Platz für Intuition und Improvisation, zumindest wenn man Kahnemanns Interpretation von schnellem und langsamen Denken (Amazon Affiliate Link) folgt.
Context
Projekte sind immer kontext- und situationsspezifsch. Dem hat erst jüngst das PMI bei der Neuauflage des PMBOK Rechnung getragen (Amazon Affiliate Link). Während früher die Inhalte prozessorientiert dargestellt wurden, wird nun gepredigt die (gleichen) Inhalte kontextspezifisch anzupassen. Das schöne an der Kontextorientierung ist, dass dabei spielend dogmatische Grenzen überwunden werden. Traditionell, agil oder hybrid spielt nicht wirklich eine Rolle – es muss halt zum Kontext passen!
Communication
Um Transparenz über Problem und Lösung, aber auch in der Zusammenarbeit herzustellen braucht es Kommunikation. Die Facetten der Kommunikation sind vielschichtig, denn wir reden nicht vom Austausch von Bits und Byte, sondern von Informationen aus Menschenhand. Eine kleine Referenz auf den guten alten Schulz-von-Thun und seine 4-Seiten-einer-Nachricht und ein weiterer auf das Thema Empathie sollen hier reichen. Kommunikation lässt sich nicht rein auf die Sachebene beschränken, sondern findet immer in verschiedenen Dimensionen statt. Jede Nachricht, offenbart auch etwas über den Sender, enthält seinen Appell an den Empfänger und sagt zugleich etwas über deren Beziehung aus. (An dieser Stelle immer eine Empfehlung: Good old Schulz-von-Thun im Original (Amazon Affiliate Link)). Und Kommunikation betrifft nicht nur das Team, sondern auch alle Stakeholder!
Collaboration
Projekte sind normalerweise kein Einzelkämpfertum, sondern Teamarbeit. Insofern muss die Zusammenarbeit im Team eines unserer Fokus Areas sein. Im 3-C-Modell war das nur implizit enthalten, denn Zusammenarbeit kann ohne Kommunikation nicht funktionieren. Es besteht einfach an allen Ecken und Enden Abstimmungsbedarf. Aber es gilt nicht nur über Dinge zu sprechen, sondern ein gemeinsames Modell für eine Zusammenarbeit zu finden – egal ob traditionell oder agil – vollkommen wertfrei, das gewählte Modell muss nur von allen Beteiligten mitgetragen werden.
Also lasst uns unseren Fokus auf die 4-C setzen.
Das ist der erste Schritt.
Es gibt dafür keine einfache Patentrezepte und selbst mit dem richtigen Fokus können wir scheitern, aber ohne diesen Fokus werden wir ganz sicher scheitern.
Strategien für den Umgang mit komplexen Situationen hört sich wie ein Patentrezept für Projektarbeiter an. So trivial ist es aber nicht. Dörner identifiziert eher aus einer psychologischen Warte mögliche Handlungsoptionen und typische Fehler, das Ganze durchaus fundiert aus der Beobachtung von unzähligen Planspielen und Experimenten, aber auch aus der Analyse historischer Situationen wie dem Atomunfall in Tschernobyl.
Einen Schönheitsfehler hat die Betrachtung allerdings: Dis Schlussfolgerungen werden nicht aus komplexen Situationen, sondern aus komplizierten gezogen. Planspiele haben feste Regeln, Operations Research hat eine vollständige Modellbildung der Welt, a posteriori lässt sich die Welt erklären – aber gerade das alles haben wir in komplexen Situationen ja nicht. Vielleicht ist diese Unsauberkeit im Umgang mit dem Komplexitätsbegriff auch dem ursprünglichen Erscheinungsdatum (1989) geschuldet. Nichtsdestotrotz sind die Darlegungen auch für komplexe Situationen hilfreich und fundiert.
Als eher erfolgversprechenden Handlungsoptionen nennt Dörner u.a.:
Arbeitshypothesen permanent hinterfragen und prüfen
Hohes Maß an Selbstorganisation und Strukturierung, Fähigkeit zur Selbstkritik
Dekomposition komplexer Situationen
Balance & Kompromiss
Umgestaltung des Systems (um negative Zielkonflikte und Abhängigkeiten aufzulösen)
Zielkonkretisierung
„Reperaturdienstverhalten“/Muddling-Through – Auch wenn Dörner die Gefahren eines solchen Verhaltens sieht (siehe unten): Behebung von Missständen ist die bessere Alternative zum Gar nichts tun.
Anpassung an wandelnde Kontexte/Kontextspezifisches Verhalten
Institutionelle Trennung von Informationssammlung und Entscheidung
Vorausschau zukünftiger Szenarios
Vorwärts- und Rückwärtsplanung
Strategien zur Suchraumeinengung:
o Heurismen
o Hill Climbing (nur solche Aktionen in Betracht ziehen, die einen Fortschritt in Richtung auf das Ziel versprechen mit der Gefahr auf einem Nebengipfel zu landen statt am eigentlichen Ziel)
o Zwischenzieleo Effizienz-Divergenz, d.h. Situationen anstreben, die möglichst viele Handlungsoptionen mit relativ hoher Erfolgswahrscheinlichkeit offen lassen
o Frequency-Gambling (Was hat in der Vergangenheit funktioniert?)
Strategien zur Suchraumerweiterung:
o Freies Probieren (Trial & Error)
o Ausfällen des gemeinsamen nach Duncker (Welche Gemeinsamkeiten haben die bislang erfolglosen Lösungsversuche?)
o Analogieschlüsse
Wechselspiel von Suchraumeinengung und Suchraumerweiterung
Tendenziell zu fehlerhaftem Verhalten/Misserfolg verleitet hingegen:
Arbeitshypothesen werden als wahr hingenommen und nicht weiter hinterfragt.
„Reperaturdienstverhalten“/Muddling-Through (Konzentration auf die Behebung isolierter Missstände, wobei die Vorstellung des eigentlich angestrebten Zielzustandes auf er Strecke bleibt)
Überbetonung des aktuellen Motivs
Informationelle Überlastung
Similarity Matching (Tendenz, eher auf Ähnlichkeiten als auf Unterschiede zu reagieren)
Schematisierungen und Reglementierungen
Nichtberücksichtigung von Friktionen („Unvorhersehbarkeiten“)
Alles in allem eine empfehlenswerte Lektüre und bemerkenswert auch: Welches deutschsprachige Buch zu einem abstrakten, wissenschaftlichen Thema kann schon auf so viele Auflagen verweisen?