KI und Recht

In diesem kleinen Rundumschlag zur KI bislang noch völlig unberücksichtigt sind rechtliche Aspekte.

Als juristischer Laie, will ich mir auch gar nicht anmaßen dieses Thema umfassend zu behandeln, aber zumindest aus Prozesssicht wollen wir kurz ein Schlaglicht auf diesen Bereich werfen.

Input

KI Modelle brauchen Input und Konzerne wie openAI oder Google haben einfach das Internet (aber auch andere, vielleicht gar nicht mal frei zugängliche Inhalte) abgegrast. Wie weit die Verarbeitung dieser Inhalte dabei immer legal ist/war, darüber streiten beispielsweise Verlage, die ihre eigene Existenzgrundlage wegschwimmen sehen. Nicht auszuschließen, dass die Rechtsprechung hier der KI noch den einen oder anderen Knüppel zwischen die Beine werfen wird. Wir werden sehen…

Rechtlich unkritische sollte es sein, wenn wir unsere eigenen Inhalte in die KI kippen.

Verarbeitung

Bei der Verarbeitung ist das schon wieder anders, denn wir haben hier zumeist einen „loss of control“ gegenüber den KI Anbietern und es stellen sich die klassischen Fragestellungen der Cybersecurity nach Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit.

Beim Vertraulichkeitsthema spannend könnte aber beispielsweise auch sein, wieweit die KI Modelle aus unserem proprietären Inhalten lernen und diesen Erkenntnisgewinn (und gar nicht mal die Dokumente selbst) mit anderen teilen. Lernt die KI auch aus unserem Input um Fragen eines Konkurrenten zu beantworten, der das gleiche KI Modell verwendet?

Output

In dieser Reihe hatten wir schon die Qualitätsthematik bei Antworten aus der KI angeschnitten. Wir wollen einmal nicht hoffen, dass damit gleich Haftungs- und Gewährleistungsrisiken auf uns selbst zurückfallen. Spannend ist aber beispielsweise die Frage nach den Verwertungsrechten. In puncto Transparenz vorbildlich ist hier z.B. der Umgang mit KI generierten Bildern in der Wikipedia (siehe Kommentar zum Logo unten). Hier schließt sich auch der Kreis zu den Urheberrechten beim Input. Aber wieweit ist es ausreichend auf die Generierung der Inhalte durch ein KI Modell hinzuweisen? Kritisch ist schon mal, dass wir i.d.R. keine Chance haben überhaupt nachzuvollziehen welche Inhalte konkret in eine Antwort eingegangen sind. Worst case schreiben wir sogar von einer Quelle ab oder verletzen deren Rechte ohne es überhaupt zu wissen. Wenn heute Plagiatsjäger mit den Möglichkeiten der Digitalisierung Doktorarbeiten aus der Papier- und Bibliotheksära zerlegen, dann möchte ich mir nicht vorstellen, was da möglicherweise in Sachen KI noch vor uns liegt. Oder müssen wir alle KI Ergebnisse dann erst noch einer Plagiatsprüfung unterziehen, bevor wir sie verwenden?

Anmerkung & Quellen:
Das Logo im Beitrag ist „geklaut“ in der englischen Wikipedia und wurde selbst von der KI (Dall-E) kreiert, mehr dazu auf der dazu gehörigen Wiki-Commons-Seite von Wikipedia (inkl. dem zugrundeliegenden Prompt).
Ein erster Beitrag zur KI auf schlossBlog findet sich hier: Jetzt auch noch KI…
Und dann ging es um Belastbarkeit & Grenzen und um Anwendungsfälle, bis hin zur kognitiven Dissonanz der KI.

Die kognitive Dissonanz der KI

Zu meinen Lieblingsbeiträgen der Wikipedia gehört der Cognitive Bias Codex. Hierbei handelt es sich um eine Übersicht über die vielfältigen kognitiven Störungen bei uns Menschen. Die pure Anzahl und die Komplexität dieser Störungen führt uns unsere eigene Unzulänglichkeit nur zu gut vor Augen.

Diese Verzerrungen sind jetzt auch nicht „krankhaft“, sondern ganz normal – ein Zeichen unserer beschränkten Wahrnehmungs- und Verarbeitungsfähigkeit.

Der Titel dieses Beitrags leitet jetzt geflissentlich über zu der Frage, ob es solche Verzerrungen nicht auch in der KI gibt.

Eine erste Antwort finden wir bereits im Beitrag zu Belastbarkeit & Grenzen: KI basiert zum Einen auf Wahrscheinlichkeiten und nicht auf Wahrheiten oder Logik und zum Anderen ist die KI natürlich abhängig von dem ihr zur Verfügung gestellten Inhalten. Hier gelten noch immer die Grundprinzipen der Datenverarbeitung: Garbage in, garbage out.

Für ein aktuelles Projekt (eine Methoden-Übersicht) haben wir versucht die Attribute zur Beschreibung von Methoden mit Hilfe der KI vorzunehmen, bzw. unsere eigenen Überlegungen dazu mittels KI zu validieren. Die KI Ergebnisse dazu hielten leider unseren Erwartungen nicht stand, angefangen davon, dass uns die KI zu anderen Attributen überreden wollte und deutlich von den Vorgaben abgewichen ist, fand sie auch generell toll, was immer wir ihr gegeben haben, womit wir beim Thema kognitive Verzerrungen wären. Es gab also eindeutig eine Bestätigungstendenz.

Wenn man darüber nachdenkt ist das Ergebnis auch gar nicht so überraschend, denn was wir ihr als Input gegeben, ist natürlich gegenüber ihren anderen Ressourcen hochprior, nur anstatt unsere eigene Modellbildung damit kritisch auf den Prüfstand zu stellen, hat uns die KI dann lobend auf die Schulter geklopft. Gut fürs Ego, schlecht für das Ergebnis.

Wenn man jetzt noch berücksichtigt, das durch die Wahrscheinlichkeitsbetrachtung letztlich auch nur bestehende Lösungen einbezogen werden können, dann wird schnell klar, dass die KI zwar eine Umsetzungsmaschine, aber ein Innovationszwerg sein muss.

Unser Versuch der Methodenbeschreibung ist nur ein einfaches Beispiel. Die Fragen am Rande des Cognitive Bias Codex lassen sich aber auch auf die KI übertragen. Was tun, wenn…

  • …wir mit zuvielen Informationen konfrontiert sind.
  • …es an Bedeutung und Kontext fehlt.
  • …wir schnell handeln müssen.
  • …die Aktualität und „Haltbarkeit“ von Informationen nicht ganz klar ist.

Letztere bringt auch das Thema „Vergessen“ auf. Wenn Informationen veralten, dann sollten wir sie vielleicht sogar vergessen und sie nicht in unsere Antworten einbeziehen, aber es heißt doch so schön: Das Internet vergisst nicht. Nicht nur die KI muss noch viel lernen, sondern auch wir im Umgang mit der KI.

Anmerkung & Quellen:
Cognitive Bias Codex (Wiki Commons)
Das Logo im Beitrag ist „geklaut“ in der englischen Wikipedia und wurde selbst von der KI (Dall-E) kreiert, mehr dazu auf der dazu gehörigen Wiki-Commons-Seite von Wikipedia (inkl. dem zugrundeliegenden Prompt).
Ein erster Beitrag zur KI auf schlossBlog findet sich hier: Jetzt auch noch KI…
Und dann ging es um Belastbarkeit & Grenzen und um Anwendungsfälle.

KI Use Cases (Anwendungsfälle)

Bereits im Beitrag zur Belastbarkeit und den Grenzen wurden KI Use Cases (also Anwendungsfälle für die KI) kurz angeschnitten. Dort hatte ich noch gehofft, dass mir die Miro-Integration die KI selbst erklären kann.

An dieser Stelle nicht vorenthalten möchte ich dann die Zusammenstellung von Use Cases, die dann doch noch konventionell entstanden ist. Selbstverständlich habe ich dann noch versucht diese mit der KI zu validieren (mit dem bekannten Ergebnis), aber das möchte ich gerne separat in einem eigenen Beitrag aufgreifen.

Aber hier die vermutlich immer noch nicht vollständige Liste der generischen Anwendungsfälle:

  • KI basierte Suche
  • KI basierte Content Compilation (also z.B. Zusammenfassungen)
  • KI basierte Content Creation (also die Erstellung z.B. von Strukturen, Aufzählungen, Textbausteinen, Programmcode oder Daten)
  • KI basierte Simulation
  • KI basierte Moderation/Anleitung (z.B. in Form von ChatBots, sodern diese nicht rein auf Skritpen beruhen)
  • KI basierte Vergleiche (z.B. von Dokumenten)
  • KI basierte Mustererkennung

Anmerkung & Quellen: Das Logo im Beitrag ist „geklaut“ in der englischen Wikipedia und wurde selbst von der KI (Dall-E) kreiert, mehr dazu auf der dazu gehörigen Wiki-Commons-Seite von Wikipedia (inkl. dem zugrundeliegenden Prompt).
Ein erster Beitrag zur KI auf schlossBlog findet sich hier: Jetzt auch noch KI…
Und dann ging es um Belastbarkeit & Grenzen.

Belastbarkeit & Grenzen

Im ersten KI-Beitrag hier auf schlossBlog kam schon die Frage auf nach der Belastbarkeit und den Grenzen der KI. Wenn wir heute von KI sprechen, dann basieren die meisten Lösungen auf probabilistischen Modellen, d.h. streng genommen sucht die KI nicht nach der „richtigen“ Lösung unserer Fragestellung, sondern nach der wahrscheinlichsten Antwort auf diese Fragestellung. Das erklärt auch wunderbar, warum KI-Antworten mitunter kompletter Bullshit sein können, denn (1.) ist die KI natürlich abhängig von ihrem Input und (2.) durchforstet sie diesen Inhalt auf erwartbare Muster.

Trotzdem sind die Ergebnisse oft erstaunlich gut, aber können wir uns auch auf sie verlassen?

Wenn wir die Natur der KI (Achtung, Wortspiel!) verstanden haben, dann können wir das eigentlich nicht. Dann ist der Einsatz der KI streng genommen nur dann legitim, wenn wir die Korrektheit und Verlässlichkeit der Antworten selbst beurteilen können. Dann liefert sie uns vielleicht einen Turbo und beschleunigt unser Arbeiten, aber die Verantwortung bleibt in unseren Händen.

Im Rahmen des KI-Hypes bekommt aktuell alles eine KI-Integration. Microsoft bastelt an einem Copiloten für das Office und beispielsweise Miro unterstützt uns z.B. beim Brainstorming mit KI,, in dem wir das Thema für eine Mindmap festlegen und die Software liefert uns KI gestützt eine erste Version, wie hier im Beispiel, in dem ich Miro nach den Use Cases der KI (Englisch: AI) befragt habe:

Das Ergebnis ist im konkreten Fall ernüchternd (ich habe aber auch schon bessere Ergebnisse für KI generierte Mindmaps in Miro gesehen), denn beantwortet wird eigentlich nicht die Frage nach Use Cases (also Anwendungsfällen), sondern es werden Branchen für den Einsatz aufgezählt. Der zweite Versuch (mit der Einschränkung: branchenunabhängig) gerät dann noch schlechter, weil diese Einschränkung offenbar nicht als solche verstanden wird.

So geil KI-gestützte Abkürzungen sein mögen und unseren Arbeitsalltag erleichtern können, zeigen sich hier erste Qualitätsprobleme.

Was heißt schon KI?

Diese Frage klingt schon etwas ketzerisch, aber nicht überall, wo KI drauf steht ist auch KI drin oder zumindest nicht in der Form, wie wir es erwarten würden. Ein Beispiel hierfür ist die KI-based search in der Notizsoftware Evernote. Als Everrnote-Nutzer ist dieses Angebot doch gleich einen Blick wert. Den eigenen Content in der AI zu nutzen klingt charmant, doch wenn man dann z.B. bei Taming the Trunk nachliest, wie das konkret funktioniert, macht sich auch hier die Ernüchterung breit, denn lediglich die 4 vermeintlich relevantesten Notizen werden tatsächlich in die AI geschickt (ursprünglich waren es einmal 8).

Bei aller Begeisterung für die KI, den gesunden Menschenverstand kann sie bis auf weiteres nicht ersetzen. Aber bitte nicht missverstehen, das ist kein Technologie-Pessimismus, sondern lediglich der Versuch aktuell die Einsatzmöglichkeiten eben einschließlich von Belastbarkeit & Grenzen einzuschätzen.

Anmerkung & Quellen: Das Logo im Beitrag ist „geklaut“ in der englischen Wikipedia und wurde selbst von der KI (Dall-E) kreiert, mehr dazu auf der dazugehörigen Wiki-Commons-Seite von Wikipedia (inkl. dem zugrundeliegenden Prompt). Ein erster Beitrag zur KI auf schlossBlog findet sich hier: Jetzt auch noch KI…

Jetzt auch noch KI…

Keine Angst, dies wird kein KI-Blog und ja, der KI-Hype nervt mich selber. Da sind viel zu viele Buzzwords im Raum und viel zu viel blinder Enthusiasmus. Auf der anderen Seite stehen die Chancen und die Irreversibilität der Entwicklung. Es wird uns also gar nichts anderes Übrig bleiben. als uns damit auseinanderzusetzen. Und ich versuche das auch immer wieder, z.B. hier im Beitrag zum Work Panorama nach Raphael Gielgen, bei dem ich mich mich mit Bard, der KI von Google, statt mit Raphael unterhalten habe. Aber halt, Bard ist schon wieder Geschichte, denn seit letzter Woche heißt Bard, jetzt Gemini.

Google scheint ja gegenüber openAI etwas im Hintertreffen, obwohl mir irgendwie Prompt, Google-Integration und die Aufbereitung der Antworten einen Tick besser gefallen haben.

Anlässlich der Umfirmierung (und weil ich mich auch mit einer Bezahloption beschäftige), habe ich Gemini mal nach den Unterschieden zwischen Gemini und Chat-GPT gefragt:

Frage: Vergleiche Gemini und Chat-GPT und erkläre mir die Unterschiede und jeweiligen Vor- und Nachteile. Stelle sicher, dass deine Antwort leicht verständlich, eindeutig, kurz sowie gut strukturiert ist.

Antwort:

Vergleich von Gemini und ChatGPT:

Unterschiede:

  • Entwickler: Gemini von Google, ChatGPT von OpenAI
  • Zugang: Gemini kostenlos, ChatGPT Basismodell kostenlos, Plus-Version 20$/Monatexpand_more
  • Sprachen: Gemini 40+ Sprachen, ChatGPT 164 Sprachen
  • Datenbasis: Gemini bis September 2021, ChatGPT bis 2023 (Plus-Version)exclamation
  • Multimodalität: Gemini verarbeitet Text, Bilder & Videos, ChatGPT nur Text
  • Verfügbarkeit: Gemini USA & UK, ChatGPT global

Vor- und Nachteile:

Gemini:

Vorteile:

  • Kostenlos
  • Multimodal
  • Zugriff auf Google-Suche
  • Schneller & präziser bei manchen Aufgaben

Nachteile:

  • Weniger Sprachen
  • Eingeschränkte Verfügbarkeit
  • Jünger & weniger ausgereift

ChatGPT:

Vorteile:

  • Mehr Sprachen
  • Globale Verfügbarkeit
  • Größere Datenbasis
  • Langzeiterfahrung & ausgereifter

Nachteile:

  • Basismodell kostenlos, aber limitiert
  • Plus-Version kostenpflichtig
  • Teils langsamer & weniger präzise

Fazit:

  • Gemini: Gute Wahl für kostenloses, multimodales KI-Tool mit Fokus auf Google-Integration.
  • ChatGPT: Bewährte Option mit breiter Sprachunterstützung & großer Community.

Wahl hängt von:

  • Budget
  • Sprachbedarf
  • Gewünschter Funktionen (Multimodalität)
  • Verfügbarkeit in Ihrer Region

Weitere Punkte:

  • Beide KI-Modelle entwickeln sich ständig weiter.
  • Benutzerfreundlichkeit & subjektive Präferenzen spielen eine Rolle.

Tipp: Probieren Sie beide Modelle aus, um festzustellen, welches besser zu Ihren Bedürfnissen passt.

schlossBlog-Fazit: Die Antwort ist sachlich und knackig und auch nicht Google gefärbt. Jetzt ist bei den KI ja immer die Rede von einer Datenbasis 2021 (Gemini) oder 2023 (Chat-GPT) und trotzdem ist die gelieferte Antwort zu Gemini (Geburtsjahr 2024) vernünftig und nachvollziehbar.

Und genau das ist für mich aktuell der springende Punkt:
Wie belastbar sind die Antworten der KI bereits?

Auf diese Fragestellung werden wir hier sicher noch das eine oder andere Mal zurückkommen.

PS: Und noch eine Anmerkung zur Illustration dieses Beitrags, die ist nämlich „geklaut“ in der englischen Wikipedia und wurde selbst von der KI (Dall-E) kreiert, mehr dazu auf der dazugehörigen Wiki-Commons-Seite von Wikipedia (inkl. dem zugrundeliegenden Prompt).

Gelesen: Coaching, Beratung und Gehirn

Roth, Gerhard; Ryba, Alica; Coaching, Beratung und Gehirn: Neurobiologische Grundlagen wirksamer Veränderungskonzepte; 5., durchgesehene und um ein Vorwort erweiterte Auflage; Stuttgart 2016 (Amazon Affiliate Link)

Nach der Lektüre bin ich hin- und hergerissen. In einigen Punkten scheint mir das Buch einseitig und nicht ausgeglichen, dem grundlegenden Verständnis der Autoren möchte ich mancherorts widersprechen und trotzdem, vielleicht auch gerade deswegen ist die Lektüre wertvoll. Der Inhalt bereichert die Domäne und trotzdem kann man sich an ihm reiben, aber so entsteht Entwicklung.

Gerhard Roth war einer der bekanntesten deutschen Gehirnforscher und der Ansatz der beiden Autoren neurobiologische Grundlagen für Coaching und Beratung aufzuzeigen klingt vielversprechend und ja, ich habe das eine oder andere über Aufbau und Funktionsweise unseres Gehirns gelernt, nur die Rückübertragung und Anwendung in Coaching und Beratung sehe ich nicht – zumindest nicht in dem Umfang, wie ich es mir erhofft hätte.

Der Umgang mit Coaching und Psychoanalyse der Autoren ist sehr spitzzüngig, der (wissenschaftlich belegte) Wirkungsnachweis wird als Achillesverse identifiziert. Das eigene 4-Ebenen-Modell wird aber seltsamerweise keiner empirischen Überprüfung unterzogen.

Auch die Abgrenzung von Coaching und Psychoanalyse wird thematisiert. Es wird darauf hingewiesen, dass die gleichen (oder ähnliche) Konzepte und Modelle herangezogen werden, nur dass der Coachingbereich noch „unwissenschaftlicher“ sei. An dieser Stelle steckt – glaube ich – ein falsches Verständnis von Coaching und Psychoanalyse, denn klar, der Betrachtungsgegenstand ist der Gleiche, die unterschiedliche Motivation wird noch thematisiert, aber was fehlt ist eine Betrachtung der Mandatierung: Während die Psychoanalyse „therapeutisch“ legitimiert ist, sind dem Coaching Handschellen angelegt. Coaching (im beruflichen Kontext) beruht auf Freiwilligkeit (und nicht zwangsläufig auf einer Notsituation). Coaching passiert nicht nur zwischen Coach und Klient, sondern möglicherweise sind auch Arbeitgeber/Vorgesetzte involviert – vielleicht nicht in der direkten Coach/Klienten-Beziehung, aber möglicherweise im Rahmen der Personalentwicklung oder Finanzierung von det Janze. Es stehen also auch gewisse Interessenkonflikte im Raum, die den Handlungsspielraum für ein Coaching einschränken.

Die Zusammenfassung der Freudschen und der Ericksonschen-Lehre ist kompakt und liest sich gut, allerdings stellt sich mir die Frage, wie aktuell diese ist. Deren historischer Einfluss ist unbestritten, aber gefühlt basiert das Verständnis im Buch auf Theorien aus Anfang/Mitte des 20. Jahrhunderts (Freud 1856-1939, Erickson 1901-1980), es werden zwar auch neuere Werke angeführt, aber gefühlt stehen Sigmund und Milton im Raum.

An der einen oder anderen Stelle blitzt eine naturwissenschaftliche Überheblichkeit auf. Psychoanalyse wird als Geisteswissenschaft bezeichnet und die Geisteswissenschaft noch in Anführungszeichen gesetzt.

Systemische Coaching Ansätze werden aufgrund ihrer „nicht ausreichenden Konkretisierung“ und ihres „eklektischen Kerns“ (also einem beliebigen Cherry-Picking) kritisch gesehen, obwohl sich die Ansatzpunkte zur Problemlösung der eigenen Theorie dem wieder inhaltlich annähern.

Alles in allem handelt es sich um ein spannendes Buch, im besten Sinn des Wortes. Keine unumstößliche Wahrheit, aber eine echte Bereicherung.

Der Bookcast zur Business Visualisierung

Unser Hörbuch/Bookcast zur Business Visualisierung ist unter dem Motto „Visualisierung für die Ohren“ schon vor einer Weile in 16 Folgen hier erschienen. An dieser Stelle eine Übersicht über alle Folgen.

Und für alle, die lieber lesen statt hören hier der Link zum Buch (Amazon Affiliate Link).

Folge 1: Visualisierung für die Ohren

Was für eine Schnapsidee! Erst schreiben die Jungs ein Buch über Business Visualisierung in Roman-Form und jetzt wird auch noch ein Hörbuch daraus. Oder besser: Ein Bookcast.

Folge 2: Reiseplanung

Nach dem Schreck mit Freddy Krüger hat Astrid unsere Babs neugierig gemacht. Sie macht sich auf zu einer Reiseplanung in die Welt der Business Visualisierung. In deren Rahmen bekommt Babs auch ein Faltblatt mit den wichtigsten Informationen zu einer „visuellen Grundausstattung“ und den wichtigsten visuellen Elementen. Im Bonus-Track erklärt Daniel von visualbraindump die Hintergründe dazu.

Folge 3: Moderatien

Babs Lauer reist durch die Welt der Business Visualisierung. Sie erkundet so spezielle Länder wie Moderatien, Lösungslawien, Ideeien, Planungsland und Dokumentswana.

Ihre erste Station wird Moderatien sein. Und – Spoiler – es könnte dort um Moderation gehen. Hier besucht Babs die Gastgeber-Akademie, aber hört selbst…

Folge 4: Moderatien – Sketch Notes & Graphic Recording

Babs ist weiter in Moderatien unterwegs. Auf ihrer Reise durch die Welt der Business Visualisierung geht es diesmal vor allem um Sketch Notes und Graphic Recording.

Folge 5: Moderatien – Die Agenda-Schmiede

Diesmal begibt sich Babs in die Agenda-Schmiede. Bevor sie weitere spannende Länder erkunden wird, gilt es noch zwei wesentliche Handwerkszeuge für Meetings und Workshops erproben: Die Agenda und die Flipchart-Gestaltung.

Folge 6: Lösungslawien

In Lösungslawien steht unserer Babs eine ganz besondere Herausforderung bevor und sie hat einen ganz besonderen Gastgeber, der versucht ihr Räume zu öffnen…

Folge 7: Lösungslawien – Das Geheimnis der Piktogramme

Wer unsere Babs auf ihrer bisherigen Reise durch die Welt der Visualisierug begleitet hat ist sicher schon gespannt darauf, wie es in Lösungslawien weitergeht und welches Geheimnis verbirgt sich noch hinter den Piktogrammen?

Folge 8: Ideein – Mindmaps & Canvas

Babs ist nach Lösungslawien in Ideeien angelangt. Lange hatte sie sich schon vorgenommen, sich mit MindMaps auseinander zu setzen. Dann gibt es da noch diesen Ideenturm und eine Canvas-Ausstellung.

Folge 9: Ideeien – Cluster und Assoziationsketten

In Folge 9 des Bookcasts/Podcasts/Hörbuchs zum Buch „Business Visualisierung“ geht es diesmal um Cluster und Assoziationsketten.

Folge 10: Design Thinking

In Folge 10 lernt Babs Design Thinking kennen und auch dafür typische Instrumente wie die Customer Expierience Journey oder Kill your Company.

Folge 11: Planungsland

Diesmal reist Babs durch das Planungsland und dort begegnet ihr eine seltsame Mischkreatur aus Sepp Herberger und Helmut Schön, aber auch Siglinde Freud. Man kann es erahnen: einmal Sportmetapher und jede Menge Psychologie.

Folge 12: Maps & Boards

In dieser Episode lernt Babs Maps und Boards in ihrer ganzen Vielfalt kennen.

Folge 13: Dokumentswana

Wir sind mittlerweile bei Folge 13 in unserem #Hörbuch / #Podcast / #Bookcast angelangt und Babs erreicht die fünfte und letzte Station ihrer Reise: Dokumentswana. Nach ihren Abstechern nach Moderatien, Lösungslawien, Ideeien und Planungsland geht es diesmal um das Thema Dokumentation, aber hört doch selber rein!

Folge 14: Dokumentationsdschungel und Powerpoint-Deponie

Archivarius führt Babs durch die Untiefen des Dokumentationsdschungels und zeigt ihr die Powerpoint-Deponie, aber hört selbst…

Folge 15: Dokumentationswerkzeuge

Im Dokumentationsdschungel in den Bergen von Dokumentswana hat Babs jede Menge über das Thema Dokumentation gelernt. Aber welchen konkreten visuellen Werkzeuge stehen uns dafür zur Verfügung?

Folge 16: Epilog

Mit dem Epilog in Folge 16 endet unser Hörbuch über Babs Lauer und ihre Reise durch die Welt der Business Visualisierung. Wieder daheim versucht sie das Gelernte auch in der Praxis umzusetzen und berichtet darüber. Denn nur darauf kommt es an: Das Tun.

Gelesen: Agile Games Facilitation

Und schon wieder Gamification! Nein, genau genommen nicht Gamification, sondern Serious Play, also der Einsatz von Spielen im Business Kontext. (Gamification hingegen ist der Einsatz von Spielelementen.)

Anne Hoffmann, Julian Kea; Agile Games Facilitation– Mit Spielen in Meetings, Workshops und im Teamalltag Wirkung erzielen; München, 2023 (Amazon Affiliate Link)

Das Buch war schon länger angekündigt und hat wohl im Laufe der Entstehung noch den „Facilitation“-Zusatz bekommen. Es handelt sich NICHT um eine Sammlung agiler Spiele, sondern um eine Anleitung für Spielleiter/Moderatoren. Es geht um Workshop-Design und wie man zielgerichtet Spiele einsetzt.

Angesichts des langen Vorlaufs war ich zunächst überrascht, dass es „nur“ ein kleines Büchlein geworden ist – inhaltlich aber, hat es einiges zu bieten.

Unterschieden werden vier Phasen (Auftrag, Auswahl, Aktion und Abschluss), die dann in 8 Schritten für ein wirksames Workshop-Design ausgearbeitet werden:

  1. Bereitschaft anbahnen
  2. Ziele formulieren
  3. Fokuspunkte setzen
  4. Inhalte-Methoden-Kombinationen festlegen
  5. Einladungen formulieren
  6. Debriefing planen
  7. Transfer ausarbeiten
  8. Wiksamkeit prüfen

Wirksamkeit ist das Schlüsselwort, denn es geht nicht um den beliebigen Einsatz von Spielen, um Unterhaltung, sondern um die zielgerichtete Anwendung.

Dafür gibt es 4 Hebel: Kontext, Fokus, Teilnehmende und Facilitation.

Als Werkzeug fasst der Serious Games Canvas all diese Aspekte zusammen und dient der Workshop-Planung (da freut sich der Canvas-Freund).

Großer Wert wird auch auf die Nachbesprechung – das Debriefing – gelegt und nachdem Julian neben Anne einer der Autoren ist, wundert es kaum, dass sich dort der Fragenkatlog des Debriefing Cubes findet (jetzt habe ich den Katalog endlich auch in Deutsch…). Eine englische Version des Cubes gibt es bei Julian übrigens auch als PDF-Download.

Zum Abschluss geht es dann noch um den souveränen Umgang mit Ungeplantem.

Alles in allem mehr als eine Empfehlung für alle, die über den Einsatz von Spielen Nachdenken und darüber hinaus, denn vieles lässt sich generell für Workshop-Design und -Durchführung nutzen.

Wie? Und keine Kritik? - Nur minimal beim Wording. Wie ich aus eigener Erfahrung weiß, sind Begriffe wie Facilitation und Gamification im deutschen Sprachraum noch schwer und noch schwerer als seriös vermittelbar. Da muss dann halt das Agile noch als Buzzword herhalten – zu Unrecht, denn der Inhalt lässt sich weit über Agile Games hinaus anwenden (also doch keine Kritik). Ist das Wort Facilitation (das ich selber auch verwende) schon nicht sonderlich gebräuchlich im Deutschen, so schmerzt das Verb „faziltieren“ schon ein bisschen. Im Gegensatz zum im Englischen durchaus üblichen „to facilitate“ ist das eher eine Wort-Neuschöpfung – und ein Zungenbrecher. Wundert mich, dass Anne and Julian damit beim Lektorat durchgekommen sind. Ein anderes Verständnis habe ich auch beim Moderationsbegriff. Während die beiden Facilitation von Moderation abgrenzen, ist für mich Moderation der Überbegriff und Facilitation dann eine besondere Ausprägung, wobei wir uns bei dieser Ausprägung wieder einig sind.

Also nichts was der klaren Empfehlung einen Abbruch machen würde.

Gelesen: Actionable Gamification

Yu-Kai Chou; Actionable Gamification– Beyond Points, Badges, and Leaderboardss, 2017 (Amazon Affiliate Link)

Achtung, Mogelpackung! Aber keine schlechte.

Eigentlich geht es bei dem amerikanisch-taiwanesischen Yu-Kai Chou gar nicht um Gamification, sondern um „human focused design“. Er hat dazu sein Octalysis-Framework entwickelt – zuerst auf seiner Homepage und dann in Buchform.

Eigentlich ist Octalysis eine Motivationstheorie. Abgeleitet tatsächlich aus der Analyse unzähliger Spiele versucht Yu-Kai Chou die zugrunde liegenden Treiber (core drives) für jegliches Handeln zu identifizieren. Er kommt dabei auf 8 Stück, die er in einem Oktagon anordnet, plus einen versteckten neunten Antrieb mit der Sensationslust.

Er ordnet die einzelnen Antriebe tendenziell der linken oder der rechten Gehirnhälfte zu, wobei er selbst darauf hinweist, dass diese Unterscheidung nicht neurowissenschaftlich begründet, sondern eher symbolisch zu verstehen ist.

Daneben unterscheidet er White Hat und Black Hat Gamification, also eher positiv oder negativ konnotierte Antriebe.

Zu den einzelnen Core Drives identifiziert er dann jeweils eine ganze Reihe von „Spieltechniken“, die sich als Design-Elemente nutzen lassen, um den jeweiligen Antrieb zu triggern. Also doch Gamification!

Spannend ist Yu-Kai Chous Reflexion von verschiedenen Behavioral Frameworks mit Hilfe von Octalysis:

  • Ryan and Deci’s Self-Determination Theory
  • Richard Bartle’s Four Player Types
  • Nicole Lazzaro’s 4 Keys To Fun
  • Mihaly Csikszentmihalyi’s Flow Theory
  • Fogg Behavior Model
  • Jane McGonigal’s Theories (die von SuperBetter)

Die verhaltenswissenschaftliche Fundierung (da dürfen auch Kahnemann & Co nicht fehlen) gibt dem „Schmuddelkind“ Gamification einen fundierten, sauberen Anstrich.

Und obendrein ist Yu-Kai Chous Baukasten vielversprechend.

Eine kompakte deutschsprachige Zusammenfassung des Octalysis Frameworks gibt es übrigens bei der Uni Oldenburg.

Weihnachten

Und drüben im (privaten) schlossweb haben wir den Klassiker ausgegraben:

Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch allerseits!



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