In eigener Sache

#555 Neues Produktionsmodell im Visier

Unter diesem Titel setzt sich ein Beitrag auf den Webseiten der IG Metall mit dem Wandel in der ITK-Industrie auseinander und bemängelt, dass der Mensch dabei auf der Strecke bleibt. Die Rede ist von IT-basierten Lean-Konzepten für die Kopfarbeit und dabei wird alles in einen Topf geworfen: Agile Methoden, Mobiles Internet, Intelligente Netze, Cloud Computing, Social Media, Crowd Working. Beispiele werden u.a. von HP, Nokia Siemens Networks, IBM und SAP angeführt.

Aus gewerkschaftlicher Sicht wird bemängelt, dass die Global Player in diesem Umfeld verstärkt auf Offshoring, Outsourcing, transnationale Projekt- und Teamarbeit sowie Crowd Working-Strategien setzen.  In kleineren Betrieben würden sich die Arbeitsbedingungen u.a. aufgrund von Fachkräftemangel bei zunehmender Arbeitsbelastung verschlechtern. Als Risiken der Veränderungsprozesse werden attestiert:

Prekäre Beschäftigungsformen wie Leiharbeit und Scheinselbstständigkeit nehmen ebenfalls zu. Damit verbunden sind häufig wachsende gesundheitliche Belastungen, allgemeine Verunsicherung und psychischer Druck in einem „System permanenter Bewährung“ (Boes/Bultemeier).

Das so gezeichnete Bild entspricht so gar nicht den idealistischen Vorstellungen agiler Methoden. Liegt doch beispielsweise dem agilen Manifest ein ganz anderes Menschenbild zugrunde.  Jurgen Appelo würde das oben beschriebene Szenario als ein Management 2.0 bezeichnen, die Umsetzung von Methoden wie Leanmanagement, TQM & Co in hierarchischen Systemen. (Dabei liegt eigentlich auch dem Leanmanagement ein ähnliches Menschenbild zugrunde, das in der Verkürzung aber auf der Strecke bleibt und mittlerweile fast schon in Vergessenheit geraten ist.) Jurgen postuliert stattdessen ein Management 3.0 (Amazon) mit der Einführung agiler Methoden  und der Abkehr von hierarchischen Systemen.

Bei agilen Methoden liegt die Betonung i.d.R. auf Selbstorgansiation und Selbstbestimmung und eine mögliche Überforderung á la Boes/Bultemeier wird nicht weiter diskutiert. Allerdings reagieren agile Vertreter auf die Verknüpfung agiler Methoden mit klassischem Optimierungsdenken, wie bei Wolfram Müllers High-Performance Projektmanagement auf openPM oder bei seinem Beitrag auf dem PM-Camp in Dornbirn durchaus dünnhäutig. Offenbar sieht sich die Zunft gerade nicht gerne als neues Produktionsmodell.

Persönlich missfallen mir die idealisierten Rahmenbedingungen agiler Ansätze, weil sie häufig utopisch sind. Wenn ich den idealen Product Owner, am besten gleich noch auf Kundenseite, von Anfang an engagiert und eingebunden in meinem Projekt habe, dann sind das Voraussetzungen, die auch jedem klassischen Projekt gut tun würden, die nur in der Realität nicht immer anzutreffen sind. Erfrischend hier wieder Jurgen Appelo, der jüngst in einem Blogbeitrag das imperfekte agile Vorgehen postuliert: Don´t let Scrum make you fragile. Er plädiert dafür Methoden wie Scrum nicht Buchstabe für Buchstabe umzusetzen, sondern auch Platz für Variabilität, Unsicherheiten und Überraschungen zu lassen. Ich fürchte nur, dass deutsche Gewerkschaften dies der arbeitenden Bevölkerung nicht zutrauen und deren permanente Überforderung anprangern werden…

#554 openPM-Canvas für BER

Auf openPM entsteht gerade ein Schema für ein Projekt-Canvas. Canvas sind ein populäres Konzept zur Visualisierung, bekannt geworden vor allem durch die Business Modell Canvas von Alex Osterwalder & Co.

Um die bisherigen Ergebnisse zu verproben habe ich mich an zwei Beispielen versucht – neben einer sehr einfachen Themenstellung („Besuch bei der Oma“) auch an einer möglichst komplexen: Dem Flughafen Berlin-Brandenburg BER. (Die beiden Beispiele finden sich in dem openPM-Artikel zur Entwicklung eines PM-Canvas.)

 

(Bildquellen: Wikipedia)

Vielleicht ist die Canvas einseitig – ich habe meine Informationen auch nur aus Web und Presse.
Vielleicht bin ich vorschnell einfachen Erklärungsmustern erlegen.
Aber anhand des Canvas lassen sich prima Geschichten erzählen:

Z.B. Die Geschichte von der Planung und den vielen Planungsänderungen, die das Planungsteam überfordert haben und Probleme wie beim Brandschutz zur Folge hatten. Als schnelle Lösungsstrategie hat man sich dann vom Planungsteam getrennt (und Know How verloren), aber die Planungsänderungen nicht hinterfragt, obwohl mittlerweile klar ist, dass selbst essentielle Parameter, wie die Größe hoffnungslos falsch angesetzt waren (ob vom Planungsteam oder vom Auftraggeber sei dahin gestellt)

Eine weitere Geschichte erzählt die Politik: Eine Stakeholder-Betrachtung offenbart schon die politische Dimension. Insbesondere im anstehenden Wahljahr. In der Politik spielt auch die Schuldfrage eine Rolle – statt sich auf die (technische) Problemlösung zu konzentrieren wird das Team ausgetauscht, so dass man jetzt nicht mal so genau weiß wo man steht (Status) und man möglicherweise einen Stillstand im Projekt verursacht hat.

Kosten, Timeline und Risiken offenbaren das Desaster. Neben den „normalen“ Projektrisiken in der Erreichung von Time-Quality-Budget, die bereits alle gerissen wurden, bestehen noch außerordentliche Risiken, die noch gar nicht absehbar sind:

  • Mögliche Schadensersatzklagen durch Partner wie den Airlines, Mietern, …
  • Die laufenden Prozesse zu den zulässigen Flugrouten
  • Das Finanzierungsrisisko aus dem EU-Wettbewerbsrecht: Staatliche Zahlungen müssen von der EU abgesegnet werden, da sie sonst als Subventionen in einem freien Markt interpretiert werden können.  Es reicht nicht, dass 2 Bundesländer und der Bund an dem Projekt beteiligt sind – auch die EU muss noch mitreden und nicht nur in der EU, sondern vielleicht auch in Deutschland, z.B. in Frankfurt oder München, sehen nicht alle nur wohlwollend auf den künftigen Konkurrenzflughafen.

#553 TurnaroundPM

Gestern zu einem spannenden Workshop mit TurnaroundPM in Frankfurt:

Neben dem TurnaroundPM-Kernteam waren noch Niklas Spitczok von Brisinski (Autor von Pragmatisches IT Projektmanagement (Amazon)) und Jörg Süggel (Leiter GPM Regionalgruppe Thein Ruhr) mit von der Partie. Ursprünglich gestartet mit der Frage, welches Minimum an PM-Werkzeugen in einem Projekt zum Einsatz kommen sollte, drehte sich die Diskussion hin zu den Essentials von Projektmanagement, die wider besserem Wissen mitunter doch nicht angewandt werden und aus einem Projekt ein Turnaround-Projekt machen.

Einige Splitter aus der Diskussion:

„Mit Methodik rettet man kein Projekt,“ … aber ohne gewisse Standards geht es auch nicht.

„Weg vom Fertigstellungsgrad, hin zum Restaufwand“

„Projektplan? Ja, aber…“ Jedes Projekt braucht eine High-Level-Timeline (im Sinne einer Roadmap, eines Phasenplans, etc.) und natürlich braucht es auch eine Detailplanung, diese reicht aber für den nächsten Sprint, die nächste Iteration, die nächsten 2 Wochen und kann rollierend, dezentral erfolgen. Die Ebene dazwischen oder einen detaillierten Gesamtprojektplan braucht es nicht!

Die Diskussion war mehr als anregend uns konstruktiv und die Ergebnisse fließen in das Buchprojekt von TurnaroundPM ein. Darüber hinaus hat sich gezeigt wie wechselseitig befruchtend diese Diskussion auf Augenhöhe verlief und dass wir uns auf jeden Fall weiter Vernetzen werden. Davon wird auch openPM profitieren. Nachdem auch die Vorlagen aus dem Buchprojekt TurnaroundPM unter Creative Commons-Lizenz stehen (z.B. der bereits verfügbare Project Square) haben sich hier die Richtigen gefunden und auch bei den anderen Teilnehmern konnte ich das Interesse an openPM wecken. So werden wahrscheinlich schon bald auch die Vorlagen aus Niklas PITPM in openPM verlinkt.

Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit und auf TurnaroundPM als Buch!

#552 openPM-News

Es gibt Neuigkeiten zu vermelden von openPM:

Mit Bescheid vom 24.01.13 ist openPM ein eingetragener Verein mit VR 204632 im Vereinsregister München. Die Gemeinnützigkeit hatten wir uns ja schon vorab vom Finanzamt vorläufig bestätigen lassen. Ein Bankkonto gibt es auch schon. Nächste Hausaufgaben sind so profane Dinge wie Mitgliedsantrag vorbereiten, Buchhaltung aufsetzen, etc.

Kommenden Freitag darf ich openPM auf einem Workshop des Buchprojekts TurnaroundPM verteten. Ich bin gespannt und freue mich auf die Kooperation mit den Kollegen.

Inhaltlich geht die Arbeit natürlich auch weiter:

 

 

#551 Immer schon gewusst…


Heute im Donaukurier: Für Insider ist das natürlich keine Überraschung…

Via @Hannah (6 Jahre) und @Schwiegermama (Oma)

#550 Was können wir aus Großprojekten lernen?

Christian Vogel hat auf openPM eine Diskussion anlässlich der aktuellen BER-Geschichte gestartet.

Hallo Dummköpfe! Hallo Lügner!  – Diskutiert mit!

(Diese Anrede ist geklaut aus einem Google+ Post von Heiko Bartlog und bezieht sich auf einen Artikel des Planungsexperten Bent Flyvbjerg, der u.a. bei Spiegel online derzeit die Runde macht.)

Übrigens: Ich bin auch ein Lügner und Dummkopf!

#549 Gelesen: Schnelles Denken, Langsames Denken


Daniel Kahnemanns mehr als lesenswertes Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ ist so etwas wie das Resümee eines großartigen Denkers. Kahnemann führt auch den Laien in die state-of-the-art  Kognitionspsychologie ein und zeigt, wissenschaftlich fundiert und trotzdem leicht lesbar wie wir „Ticken“ und „Entscheiden“. Gleichzeitig ist es so etwas wie die Bilanz eines Lebenswerkes.

Das Rationaltiätskonzept eines Homo Oeconomicus ist längst überholt und Kahnemann hat für seinen Beitrag zur Neuen Erwartungstehorie immerhin den Wirtschafts-Nobelpreis bekommen.

Kahnemann beschreibt das Modell zweier kognitiver Systeme (System 1: für schnelles Denken, System 2: für langsames Denken) und deren Zusammenspiel.


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#548 EU-Studie warnt vor Überwachung durch die USA

Hier zitiert Spiegel online eine EU-Studie zum Cloud Computing, die vor der Überwachung durch die USA warnt. Der einleitende Text greift allerdings zu kurz, wenn er vor dem Datentransfer in die USA warnt. Im vergangenen Jahr haben US-Unternehmen wie Amazon und Microsoft bereits öffentlich zugegeben, dass selbst ihre europäischen Hosting-Angebote dem US-Patriot-Act unterliegen und dass sie als US-Unternehmen demnach verpflichtet sind ggf. US-Behörden auch Zugriff auf europäische Rechenzentren zu gewähren.

Dieser Wahnsinn lässt von der Cloud nicht viel mehr übrig als Virtualisierungskonzepte und Cloud-Lösungen für Privatanwender, denen der Zugriff von US-Behörden auf ihre Daten reichlich egal ist.

Ich habe nichts dagegen, wenn US-Agenten meine Playlist mithören – seitdem höre ich viel mehr Volksmusik. Auch Experimental-Stücke sollen sehr beliebt sein.

😉

 

#547 BER und der Managementkorrekturfaktor

Auf Spiegel online zitiert heute Alexander Demling den Planungsexperten Bent Flyvbjerg, der auch schon in der ZDF-Reportage „Fluchhafen“ herhalten musste und auf den auch im aktuellen Bestseller „Schnelles Denken, langsames Denken(Amazon) von Daniel Kahnemann (eine Rezension folgt) verwiesen wird. Plakativ heißt es da:

Die meisten Projektmanager sind Dummköpfe oder Lügner

Nicht ganz klar wird, ob das ein Flyvbjerg-Zitat sein soll. Ich bezweifle das, denn so plump ist mir Flyvbjerg nicht in Erinnerung. Auch die Wiedergabe von Flybjergs-These, dass man alle Schätzungen realistisch hochrechnen kann, wenn man eine Prognose mit einem statistischen Korrekturfaktor multipliziert, erscheint mir für den dänischen Planungsexperten, der in Oxford lehrt, zu trivial. Aus dem ZDF-Beitrag blieb mir von ihm hingegen in Erinnerung, dass Planungs- und Projektkompetenz für derartige Mega-Projekte sinnvollerweise national gebündelt werden sollten.


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