Communities ticken anders. Entsprechend funktionieren Community-Projekte auch anders als andere Projekte. Was Communities anders macht ist das Prinzip der „Freiwilligkeit„. Egal ob es um Open Source Software-Entwicklung geht oder um ein Entwicklungshilfeprojekt eines NGOs, wenn die Akteure auf freiwilliger Basis an Bord sind, stellt das viele Spielregeln auf den Kopf.
Eine liebe Freundin trieb mich einst beinahe in den Wahnsinn, weil für sie vor der Arbeit noch das Tee-Kochen und ein freundlicher Plausch wichtig waren, während ich erst einmal (auch im Ehrenamt) die Arbeit schaffen wollte, um dann in aller Ruhe mit ihr und den anderen noch weiter „abzuhängen“. Die Lektion, die ich damals lernen musste, ist, dass man bei „Freiwilligkeit“ nichts einklagen kann und wir die Eigenheiten der anderen weit mehr akzeptieren müssen, als wir im (Berufs-)Alltag bereit wären, das zu tun. Letztlich müssen wir froh sein, egal ob im Sportverein, im Sozialen oder wo auch immer, wenn sich jemand engagiert und die Grenzen der Kritikfähigkeit verlaufen einfach anders bei Volunteers.
Um Communites besser zu verstehen bin ich vor einer Weile über ein schönes Werkzeug gestolpert. Wie könnte es auch anders sein: Es ist ein Canvas – Der Community-Canvas.
Mit seinen Feldern bietet der Canvas bereits eine Tiefenstruktur zur Analyse einer Community. Im ersten Schritt reicht vielleicht schon die Grobstruktur (gekennzeichnet durch die Farben): Identity (blau) – Expierience (rot) – Structure (grün).
Wenden wir dieses Werkzeug exemplarisch auf 3 Beispiele an:
openPM ist zum Einen ein Projektmanagement-Wiki, aber auch Bestandteil einer verbandsunabhängigen Projektmanagement-Community, die sich im Rahmen der PM-Camp-Bewegung gefunden hat. Hinter openPM steckt ein gemeinnütziger Trägerverein, der mittlerweile nicht nur das Wiki betreibt, sondern bei einigen PM-Camps auch als Veranstalter auftritt (München, Stuttgart, Karlsruhe) und auch die PM-Camp-Internet-Domain verwaltet. Bei all meinem persönlichen Enthusiasmus für openPM, legt der Canvas gleich den Finger in die Wunden dieser Community: Bei Identity und Structure können wir einen Haken setzen, hier ist die Aufstellung vorbildlich. Kritisch wird es in einzelnen Expierience Feldern. Dem Wiki mangelt es teilweise an Inhalt (Content). Offenbar werden die Erfahrungen (Shared Expierience) nicht in dem Umfang geteilt wie erhofft. Einen möglichen Ansatzpunkt liefert der Canvas gleich mit: Die Etablierung von Ritualen. Das könnte im Konkreten ein noch weitergehendes Engagement in der PM-Camp-Bewegung und auf PM-Camps sein, aber vielleicht auch die Etablierung weiterer Austausch- und Diskussionsformate.
Beispiel 2 hatten wir bereits eingangs erwähnt: Freiwilligen-Arbeit mangelt es mitunter an Effizienz, die sich auch nicht „einklagen“ lässt. Im Canvas bewegen wir uns auch hier in den Expierience Feldern. Einen Lösungsansatz könnten Rules, Rituals und Roles bieten.
Sind Communities grundsätzlich im gemeinnützigen Bereich angesiedelt? Nein, es gibt auch andere Beispiele, die aber ebenfalls unter den Restriktionen der „Freiwilligkeit“ leiden – man denke nur an Barcamps und Open Space-Veranstaltungen, Supervision oder WOL-Circle. Aber auch firmenintern lassen sich Beispiele finden, wie unser Beispiel 3: Eine Community von IT-Experten einer bestimmten Software in einem Konzern. Gemeinsam helfen sich die Kollegen mit Know How und Tools aus. Die Gemeinschaft wächst schnell und ihr Aktivitätsradius nimmt zu, weil alle profitieren, allerdings bleibt die Community informell, womit sich selbst zugesagte Leistungen kaum einfordern lassen. Bei Gemeinschaftsprojekten knirscht es. Möglicherweise stehen einzelne IT-Abteilungen auch im Konkurrenzkampf: Abteilung A könnte System und Aufgaben von Abteilung B übernehmen). Defizite liegen zum Einen im Bereich Structure (Organization, Governance und Financing), aber auch beim Miteinander (Shared Expieriences) fehlt es an Rules und Roles.
Die 3 Beispiele zeigen bereits eindrucksvoll Stärken des Canvas. Allerdings sehe ich auch ein strukturelles Defizit: Der Canvas unterstellt eine Homogenität der Teilnehmer der Community. Heterogenität (z.B. rivalisierende Positionen) lassen sich schwer im Schema verankern. Das könnte z.B. durch eine begleitende Stakeholder-Analyse kompensiert werden. Aber nichtsdestotrotz: das ist Kritik/Jammern auf hohem Niveau. Der Community Canvas stellt eine hervorragende Bereicherung in der Auseinandersetzung mit Communities und Community Projekten dar.