Michael Frahm hat auf openPM das Thema Megaprojekte aufgegriffen. Geprägt hat den Begriff insbesondere Bent Flvybjerg, der Infrastrukturprojekte (Eisenbahn, Brückenbau, etc.) empirisch untersucht hat (z.B. hier: Flyvbjerg, Bent;Bruzelius, Nils;Rothengatter, Werner, Megaprojects and Risk: An Anatomy of Ambition, 13th printing , New York 2013, ISBN: 0 521 804205 (Amazon Affiliate Link)).
Die Einengung auf große Infrastrukturprojekte scheint mir zu eng. Ich glaube, dass diese Einschränkung des Projektgegenstands so nicht erforderlich ist, aber was sind dann die konstituierenden Merkmale von Megaprojekten?
Hier meine Thesen:
(1) Größe
Size matters – zumindest bei Projekten. Größe allein reicht nicht als konstituierendes Merkmal für Megaprojekte aus. Größe ist aber ein Indiz für Kosten und Budget und bei Ressourcenknappheit daher von Bedeutung.
(2) Abgrenzungsproblematik
Zu den einfachen Erfolgsregeln des Projektmanagement gehört die Auftragsklärung – die klare Abgrenzung des Projektgegenstands und genau hier liegt eines der Kernprobleme von Megaprojekten: Auch wenn der Projektgegenstand vordergründig klar sein mag, gibt es bei Megaprojekten genau hier herausfordernde Schwierigkeiten. Nimmt man Flvybjergs öffentliche Infrastrukturprojekte, so scheint zunächst der Zweck klar, aber ist tatsächlich der Brückenbau oder bei einer Olympiade der Bau der Sportstätten und die Durchführung der Veranstaltung der Projektgegenstand oder stecken in diesen Beipielen dahinter nicht eher Wirschaftsförderungsprogramme und gesellschaftliche Absichten, die weit über bauliche Maßnahmen hinausgehen. Was bestimmt den Erfolg des Projekts? Die Einhaltung der Baukosten? Oder die Erreichung dieser versteckten Ziele? Auch hinter Stuttgart21 oder BER stecken andere Ziele als der reine Bau eines Bahnhofs oder eines Flughafens (ohne diese Ziele in irgendeiner Form zu werten).
Ich behaupte auch unternehmensintern gibt es Megaprojekte mit solchen Fragestellungen. Hinter dem neuen Entwicklungsportfolio steht die Zukunft eines Unternehmens. Große interne IT-Projekte lassen sich kaum von Prozessthemen und Changeprojekten trennen. Und hinter allem steckt noch einmal der Geschäftsauftrag/das Business Modell.
Die Abgrenzungsproblematik des Projektgegenstands/Projektauftrags überträgt sich weiter auch auf die Projektorganisation. In Unternehmen kennen wir den Konflikt zwischen Projektorganisation und Regelorganisation, aber auch bei öffentlichen Projekten gibt es Kompetenzgerangel.
(3) Stakeholdervielzahl
Von der Abgrenzungsproblematik nicht ganz zu trennen, ist die Stakeholdervielzahl. Egal ob bei öffentlichen Großprojekten mit der Öffentlichkeit als größt möglicher Stakeholderzahl oder verschiedenen unternehmensinternen Stakeholdern. Eine große Zahl unterschiedlicher Gruppen und Interessen lässt sich nicht vermeiden. Zielkonflikte sind vorprogrammiert. Bleiben wir bei Olympia und denken an Sportler, Sponsoren, Politiker, Zuschauer, Medien, Bauunternehmen und Dienstleister,… In Unternehmen mag der CFO eine andere Agenda haben als der CIO oder der COO oder… Ganz zu schweigen von einzelnen Fachabteilungen.
Ich vermute, dass sich die typischen Phänomene von Megaprojekten (insbesondere von gescheiterten) Megaprojekten im wesentlichen auf diese drei Merkmale zurückführen lassen. Da spielt der eigentliche Projektgegenstand (Infrastuktur bei Flvybjerg) oder die Zielgruppe (Öffentlichkeit) nur eine nachrangige Rolle.
Was meint Ihr? Diskutiert mit! Hier oder auf openPM.