Am nächsten Morgen hatten sich Sherlock und Drings zum Frühstück verabredet. Es war nicht zu übersehen, dass die anderen Workshop-Teilnehmer die beiden mieden und so blieben die Plätze um die beiden herum frei, so dass sie ganz für sich und ungestört waren. Draußen tobte noch immer der Sturm.
„Wissen Sie eigentlich , was älter ist: Klassisches Projektmanagement oder agiles Projektmanagement,“ fragte Drings seinen gegenüber.
„Natürlich das klassische,“ tappte Sherlock ins Drings rhetorische Falle.
„Falsch. Früher gab es nur Projektmanagement – egal in welcher Ausprägung und nach welcher Facon. Klassisches Projektmanagement gibt es erst durch die Entwicklung des agilen Projektmanagement und die Abgrenzung zwischen agil und klassisch,“ dozierte Drings mit einem Schmunzeln.
Kopfschüttelnd erwiderte Sherlock: „Sie wollen mir also erklären, dass agiles Projektmanagement älter ist als klassisches?“
„Das Etikett auf jeden Fall und die Inhalte sind ja auch nicht wirklich neu. Iteratives, zyklisches Vorgehen wurde doch schon im Qualitätsmanagement mit dem PDCA-Zyklus oder Deming-Kreis populär und auch da wurde es nicht erfunden. Ich habe einmal in einem Buch gelesen, dass selbst die Herleitung des soviel strapazierten Wasserfall-Modells eigentlich iterativ war. Die Reduktion auf ein rein sequentielles einfaches Phasenmodell war rein didaktisch und nicht ideologisch motiviert.“
Sherlocks Augenbraue ging wieder nach oben.
Der Frühstücksraum hatte sich zwischenzeitlich wieder geleert. Die meisten Workshop-Teilnehmer hatten sich auf ihre Zimmer verkrochen. Wohl aus Angst. Der Umgang mit Unsicherheit ist halt nicht jedermanns Sache.
Nur Sherlock und Drings saßen noch im Frühstücksraum und an einem anderen Tisch Sigrid Meier mit dem Digitalisierungsberater und Ägidius Holzapfel.
„Was halten Sie von einer Konfrontationsstrategie,“ fragte Sherlock seinen gegenüber, stand unvermittelt auf und ging auf den Tisch der drei verbliebenen Fühstücksgäste zu.
Drings war verblüfft.
„Guten Morgen. Das haben Sie aber geschickt eingefädelt: Ist der Konkurrent um eine attraktive Position erst einmal liquidiert, wird auch seine bisherige Stelle frei und Frau Meier kann nachrücken und der Digitalisierungshelfer wird fürstlich mit neuen Aufträgen belohnt. Und zwei Sündenböcke haben Sie auch gleich parat. Habe ich Recht, Herr Holzapfel?“
Ägidius Holzapfel konnte sich einen selbstzufriedenen Gesichtsausdruck nicht verkneifen. „Gratulation, hätte nicht gedacht, dass Sie so schnell dahinter kommen, aber nachweisen können Sie uns das nicht. Pech gehabt. Jetzt stehen Sie als Hauptverdächtige da und wir gewinnen alles!“
In diesem Moment öffnete sich die Tür zum Frühstücksraum und ein uniformierter Beamter betrat den Raum: „Die beiden Herren müssen auch nichts weiter nachweisen. Ihre Aussage allein, bestätigt durch den leitenden Polizeibeamten, der im Vorraum alles mithören konnte, dürften vollkommen ausreichen.“
Die Miene von Ägidius Holzapfel war wie versteinert. Der Digitalisierungshipster war aschfahl im Gesicht und Sigrid Meier begann zu schluchzen.
„Chapeau, lieber Sherlock, über diese Konfrontationsstrategie müssen wir uns noch ein wenig unterhalten. Da würde ich gerne von Ihnen lernen.“
„Nur zu, lieber Drings. Es ist mir eine Ehre Mein Wissen mit einem alten Hasen zu teilen,“ erwiderte Sherlock.
Es schien als hätten sich zwei neue Weggefährten gesucht und gefunden.
Das war die letzte Folge des kleinen PM-Krimi auf schlossBlog.
Was bisher geschah:
Intro: Klassisch. Agil. – Ein Projektmanagement-Krimi
Teil 1: Ein Workshop in den Bergen
Teil 2: Ein Toter
Teil 3: Antipoden Klassisch. Agil.
Teil 4: Das Bargespräch
Teil 5: Dekonstruktion